Sonntag, 20. November 2011

Mit Gentechnik „sicher“ in die Krankheit

http://www.zeitenschrift.com/magazin/67-mit-Gentechnik-sicher-in-die-krankheit.ihtml

Mit Gentechnik „sicher“ in die Krankheit
Die von Konzernen, Politikern, Medien, Wissenschaftlern und Behörden unablässig verbreitete Mär, die Gentechnik wäre sicher, ist unhaltbar. Dennoch wollen mächtige Kreise die Krise nutzen, um die gefährlichen Laborpflanzen überallhin zu verbreiten. Um unsere Lebensgrundlagen zu retten, müssen wir alle gerade jetzt entschlossen handeln.



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Von Klaus Faißner




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Die Schweiz zeigt es vor: Nationale Souveränität und direkte Demokratie als Voraussetzung für Gentechnikfreiheit, weil die Technokraten in der Politik der Wirtschaft dienen.


Kreuz und quer untersuchten sie Wildpflanzen im US-Bundesstaat North Dakota. Was die Forscher der Universität Arkansas entdeckten, überraschte sie selbst: 83 Prozent aller Pflanzen enthielten die manipulierten Gene des Genrapses. Einige Pflanzen waren sogar doppelt bestückt: sowohl mit dem eingebrachten Fremd-Gen des Gentechnikkonzerns Monsanto als auch mit jenem von Bayer. Nur: Nie waren Pflanzen mit beiden Genkonstrukten freigesetzt worden. Sie hatten sich durch Kreuzung in der Natur so entwickelt. Damit muss angenommen werden, dass der Genraps in ganz Nordamerika nicht nur die Äcker, sondern auch die Wiesen erobert hat. Weiter zeigte sich, dass die synthetischen Gene in der Natur stabiler sind als angenommen. Eine neue Dimension der Bedrohung tut sich auf: Neben den Äckern sind nun auch Wild- und Gartenpflanzen durch die Gentechnik akut bedroht. Aus Heilkräutern können gesundheitsschädliche Gentechnik-Pflanzen werden, ohne dass man sie von außen als solche erkennen kann.

Fast gleichzeitig zur Meldung aus Kanada verkündete die EU-Kommission Mitte Juli 2010, den Mitgliedsländern die Wahlfreiheit zuzugestehen, über den Gentechnikanbau selbst zu entscheiden. Bei genauerer Betrachtung wird klar, dass sich die Ereignisse derzeit überschlagen: Zwei Wochen später lässt die EU-Kommission sechs Genmaissorten für den Import zu. Das Europäische Patentamt genehmigt so viele Patente auf Leben wie noch nie; gleichzeitig wird aufgrund des jahrelangen Widerstandes von Einzelkämpfern auf höchster Ebene verhandelt, ob diese Patente nicht doch rechtswidrig sind. Der Gentechnikkonzern Bayer verliert in den USA wegen gentechnischer Verseuchung der Reisbestände eine Millionenklage nach der anderen, während Klonfleisch in Großbritannien illegal auf den Tellern landet. Die Schweiz bleibt im kommerziellen Anbau drei weitere Jahre garantiert gentechnikfrei, in Bayern haben Bauern im wahrsten Sinne des Wortes „Zivilcourage“ bewiesen und damit Gensaaten zurück- sowie die allmächtige CSU an die Wand gedrängt. Ein hessischer Landwirt füllt mit seiner unglaublichen Geschichte einer Gentechnik-Katastrophe einen Saal nach dem anderen und hinterlässt im Publikum tiefe Betroffenheit.

Seit 2005 gehen die Gentechnik-Anbauflächen in Europa kontinuierlich zurück, doch mächtige Organisationen wollen die Krise nutzen, um doch noch durchzustarten. Alles spitzt sich zu und alles ist möglich – sowohl das Ende der Gentechnik als auch das Ende der natürlichen Nahrung. Je mehr wir über die Gefahren der Gentechnik wissen und je entschlossener wir handeln, desto größer ist die Chance, unsere Lebensgrundlagen zu sichern. Einen Etappensieg haben wir bereits erreicht: So erklärte der damalige Nestlé-Chef Helmut Macher 1997, ein Jahr nach dem erstmaligen, großflächigen, kommerziellen Anbau genmanipulierter Pflanzen: „Gen-Food ist das Essen der Zukunft. Wer in zehn Jahren Lebensmittel essen will, die nicht genmanipuliert sind, muss verhungern oder sehr reich sein.“ Der Versuch, die Menschheit mit widernatürlichen Nutzpflanzen zu überrollen und binnen kurzer Zeit vor vollendete Tatsachen zu stellen, ist zumindest in Europa, Asien, Afrika und Ozeanien fehlgeschlagen.
Warnende Wissenschaftler werden abgeschossen

Dies ist dem Mut furchtloser Menschen rund um den Globus zu verdanken, die sich der scheinbar übermächtigen Lobby ohne Rücksicht auf negative Konsequenzen in den Weg stellten. Einer davon ist Arpad Pusztai. Der Wissenschafter sollte in den 1990er-Jahren im Auftrag des schottischen Landwirtschaftministeriums Messmethoden für Sicherheitstests von Gentechnik-Nahrung schaffen. Pusztai entwickelte eine genmanipulierte Kartoffelsorte, die ein Lektin produzierte – ein Stoff, der normalerweise im Schneeglöckchen vorkommt. Dieser „Schneeglöckchen-Stoff“ sollte gegen Schädlinge wirken, aber für Menschen und Säugetiere ungefährlich sein, wie der weltweit führende Experte auf diesem Gebiet wusste. Doch es kam anders: Ratten, die mit den genmanipulierten Kartoffeln gefüttert wurden, waren anfälliger für Infektionen und Krankheiten; Thymusdrüse und Milz zeigten Schäden; einige Tiere hatten kleinere Gehirne, Lebern und Hoden, andere Tiere wiesen Gewebevergrößerungen auf. Außerdem wurden Zellveränderungen festgestellt, die auf ein höheres Risiko für Magen- und Darmkrebs schließen ließen. Die mit gentechnikfreien Kartoffeln gefütterten Ratten blieben gesund, auch wenn sie dieselbe Menge des „Schneeglöckchen-Stoffes“ – diesmal aber gentechnikfrei – zu fressen bekamen wie die Vergleichsgruppe.

Wie konnte es sein, dass ein normalerweise völlig harmloser Stoff plötzlich solche Schäden anrichtet – noch dazu teilweise schon nach nur zehn Tagen Verfütterung? Das wusste der britisch-ungarische Wissenschaftler zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Aber er wusste, dass er die Bevölkerung schnell warnen musste. Sein Chef, Institutsdirektor Philip James, erlaubte dies und so sagte Pusztai am 10. August 1998 in der britischen Fernsehsendung World in Action zum Thema Gentechnik-Nahrung: „Wenn ich die Wahl hätte, würde ich sie sicher nicht essen.“ Und: „Als ein in diesem Bereich aktiver Wissenschaftler finde ich es sehr sehr unfair, unsere Mitmenschen als Versuchskaninchen zu missbrauchen.“

Gleich nach der Sendung gratulierte ihm sein Chef und freute sich über das losbrechende Medieninteresse – schließlich erhoffte er sich gute Geschäfte mit dem Verkauf des Tests. Doch dann erhielt James, wie Pusztai später von ehemaligen Kollegen erfuhr, zwei persönliche Anrufe des damaligen Premierministers Tony Blair. Der Wissenschaftler musste zum Schweigen gebracht werden, habe die Kernaussage gelautet. Doch auch Blair war angerufen worden, wie Pusztai ebenfalls mitgeteilt wurde: von US-Präsident Bill Clinton, der sich von wenigen schottischen Wissenschaftlern nicht die „Biotech-Revolution“ kaputtmachen lassen wollte. Zwei Tage nach seinem Interview wurde Pusztai gekündigt. Genauso erging es seiner Frau und Vorgesetzten Susan Bardocz, ebenfalls eine Wissenschaftlerin von internationalem Ruf. Beide erhielten Redeverbot und Pusztais Arbeit wurde konfisziert. Eine beispiellose Kampagne gegen seine Person brach los, seine Arbeitsgruppe mit allen 19 Personen wurde aufgelöst. Ein Jahr später, am 16. Oktober 1999, veröffentlichte das Wissenschaftsmagazin The Lancet jedoch die Studienergebnisse und bestätigte Pusztai. Insbesondere die Auswirkungen auf den Magen-Darm-Trakt wurden beschrieben. Man warnte, dass diese Probleme auch beim Verzehr anderer gentechnisch veränderter Pflanzen auftreten können.
30 wissenschaftliche Studien:
30x Gesundheitsgefahren

Doch anstatt dankbar zu sein, verbannte die „wissenschaftliche Gemeinschaft“ Pusztai dauerhaft aus ihrer Mitte. Zu gefährlich war er für seine Kollegen weltweit geworden. Inzwischen fand Pusztai auch heraus, warum die Ratten krank wurden: „Die Probleme kamen durch die Einfügung des Gens.“ Das Fremd-Gen hat demnach bewirkt, dass sich die gentechnisch veränderte Kartoffel deutlich von der Ausgangskartoffel im Protein-, Stärke- und Zuckergehalt unterschied. Mit anderen Worten: Genmanipulierte Pflanzen sind nicht gleichwertig („substanziell äquivalent“) zur jeweiligen gentechnikfreien Ausgangssorte – trotzdem wird die Lüge der „substanziellen Äquivalenz“ bis heute offiziell aufrechterhalten. Weltweit gibt es rund 30 unabhängige wissenschaftliche Studien über den Verzehr von Gentechniknahrung. Sie zeigen eine Gemeinsamkeit, die das Ehepaar Arpad Pusztai und Susan Bardocz zusammengefasst hat, nämlich„besorgniserregende Gesundheitsauswirkungen“. Alle Studien, ohne Ausnahme. Pusztai brachte durch seine Aussagen den donnernden Gentechnik-Zug erstmals ins Stocken. Das Medienecho war so groß und die Reaktionen der Menschen waren derartig stark, dass sich die EU-Kommission gezwungen sah, zwischen 1998 und 2004 die Zulassung neuer gentechnisch veränderter Organismen (GVO) zu stoppen.

Doch an ihm wurde ein Exempel statuiert, das allen Wissenschaftlern weltweit signalisierte: Wenn du dich gegen die Gentechnik stellst, kann es dir genauso ergehen. Dennoch ließen sich einige Kollegen nicht einschüchtern, sondern von ihrem Gewissen leiten:

1998 lehnten sich drei Wissenschaftler der nationalen kanadischen Gesundheitsbehörde gegen die Markteinführung des Rinderwachstumshormons Somatotropin (kurz: rBST bzw. rBGH) unter dem Markennamen Posilac so vehement auf, dass Posilac die nationale Zulassung nicht erhielt. In der Natur dient Somatotropin der Kuh dazu, nach dem Kalben körperliche Reserven zu mobilisieren, um mehr Milch zu bilden. Zwei Injektionen des genmanipulierten Produktes pro Monat sollten reichen, um die Milchleistung der Tiere um mindestens fünfzehn Prozent pro Jahr zu erhöhen – dass die Tiere einen solchen Dauerstress nicht lange aushalten, ist wieder ein anderes Thema. Die Wissenschaftler stützten sich zum einen auf alarmierende Studien – unter anderem war bekannt, dass Rinder unter Euterentzündungen sowie Fortpflanzungsproblemen leiden. Zum anderen brachten sie auch ein millionenschweres Angebot von Monsanto an die Behörde ans Tageslicht. Doch ab diesem Zeitpunkt wurde das Trio „gemobbt, kaltgestellt, geschnitten“, wie der beteiligte Wissenschaftler Shiv Chopra feststellte – und schließlich 2004 entlassen.

Die russische Biologin Irina Ermakova bekam Probleme, als sie 2005 eine Studie über das weltweit häufigste verfütterte Gentechnik-Futtermittel veröffentlichte: Sie hatte trächtige Rattenweibchen in drei kleine Gruppen geteilt: eine erhielt genmanipuliertes Sojamehl zum Futter zugemischt, eine normales Sojamehl und eine Futter ohne jegliches Sojamehl. In den beiden Gruppen, bei denen die „werdenden Mütter“ kein Gensoja fressen mussten, starben innerhalb der ersten drei Lebenswochen 7 bzw. 9 Prozent der Jungratten, nach Gensoja-Verzehr waren 55,6 Prozent der Jungratten tot (25 von 45). Außerdem wogen die „Gensoja-Jungen“ bei der Geburt weniger als die anderen und waren auch danach im Schnitt kleiner.

Im Sommer 2010 veröffentlichte ein weiterer Russe, der Biologe Alexej V. Surov, eine weitere Studie zum Gen-Soja von Monsanto, das auf 91 Prozent der amerikanischen Sojafelder angebaut wird. Auch er fand Wachstums- und Fortpflanzungsstörungen: Nachdem drei Generationen von Hamstern zwei Jahre lang mit dem Gen-Soja gefüttert wurden (es gab mehrere Gruppen mit unterschiedlich hohen Gensoja-Anteilen in der Diät), waren die Ergebnisse verheerend. Bereits in der dritten Generation waren die meisten Versuchstiere unfruchtbar. Außerdem war das Wachstum der jungen Hamster stark vermindert, und die Sterblichkeitsrate unter den Neugeborenen stieg stark an. Diese Ergebnisse waren am deutlichsten bei der Gruppe mit dem maximalen Gensoja-Konsum zu beobachten.

Die französische Organisation CRIIGEN (Committee for Independent Research and Genetic Engineering) untersuchte die Zulassungsunterlagen des Monsanto-Genmais MON 863 noch einmal. Darin zeigten die Versuchstiere Anzeichen für eine Leber- und Nierenschädigung und hatten ein merkbar anderes Gewicht als die mit gentechnikfreiem Mais gefütterten Artgenossen. „Mit den vorliegenden Daten kann nicht geschlussfolgert werden, dass der gentechnisch veränderte Mais MON 863 ein sicheres Produkt ist“, erklärte Untersuchungsleiter Gilles-Eric Séralini. Die Antwort der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit): Die Séralini-Studie bringe keine neuen, „toxikologisch relevanten“ Ergebnisse. Ebenso ignoriert die vielfach als „Skandalbehörde“ bezeichnete Institution die Forschungsergebnisse von Raffaele Mazza an der italienischen Universität Piacenza aus dem Jahr 2005: Sie wies bei Schweinen, die mit dem in der EU angebauten Genmais MON 810 gefüttert wurden, Bruchstücke des manipulierten Gens in Blut, Leber, Milz und Nieren auf. Seither ist klar, dass wir Gentechnik über Fleisch, Eier oder Milchprodukten auf dem Teller haben, sobald Tiere mit „Genfraß“ gefüttert wurden. Beim 2009 durchgewunkenen Genmais 59122xNK603 von Pioneer sind laut EFSA gleich gar keine Tests nötig – obwohl der Mais sogar vier Gift-Fremdgene enthält. Séralini & Co. dazu: „Regierungen, Biotech-Saatgut- und Pestizidunternehmen haben beschlossen, auf Tierfütterungsstudien gänzlich zu verzichten… stattdessen ziehen sie es vor, Gentechniknahrung direkt am Volk zu testen!“ Als der Wissenschaftler Anfang 2010 einen vielbeachteten Auftritt beim Fernsehsender France 5 hatte und als Gutachter letztlich den geplanten Auberginen-Anbau in Indien zu Fall brachte, startete die Französische Gesellschaft für Pflanzenbiotechnologie (AFBV) eine Verleumdungskampagne gegen ihn und sein Institut.
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Wie gefährlich die Gentechnik sein kann, zeigt das Beispiel des normalerweise weitgehend nebenwirkungsfreien Schlafmittels L-Tryptophan in den USA: Als ein Unternehmen den Herstellungsprozess änderte und das Präparat mit genmanipulierten Bakterien produzierte, häuften sich im ganzen Land rätselhafte Erkrankungen. Mindestens 37 Menschen starben. Aufdeckern ist es zu verdanken, dass der Zusammenhang mit der Gentechnik klar aufgezeigt wurde. Warum sich die etablierte Wissenschaft trotz solcher Praxiserfahrungen und vieler warnender Stimmen nach wie vor in den Dienst der Lobbys stellt, erklärt der Norweger Terje Traavik, wissenschaftlicher Direktor des unabhängigen staatlichen Forschungszentrums GenØk an der Universität Tromsø: „Eine der größten Gefahren der Gentechnik besteht darin, dass 95 Prozent aller Wissenschaftler auf diesem Gebiet für die Industrie arbeiten, auf der Seite der Produzenten. Keine fünf Prozent sind wirklich unabhängig.“



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Wirbelsturm und Flächenbrand: Das Ende der Gentechnik


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Lesen Sie im vollständigen Artikel, wie ein deutscher Bauer, dessen Vieh aufgrund von Genfutter verendete, so massiv bekämpft wurde, dass er schliesslich sogar im Gefängnis landete. Und mit welchen Worten führende Genexperten ihr Unwissen eingestehen. Doch unser Text macht auch Mut, da er zeigt, dass Widerstand aus dem Volk die Pläne der Gen-Advokaten schon mehr als einmal durchkreuzt hat. Dennoch müssen wir wachsam sein. Gerade jetzt versucht die Genlobby alles, um diese potentiell gefährliche Technologie hinter dem Rücken der Bürger grossflächig einzuführen. Die in diesem Artikel aufgeführten Fakten geben Ihnen das nötige Rüstzeug, damit Sie aktiv mithelfen können, dies zu verhindern!

Den vollständigen Text lesen Sie in unserer Druckausgabe Nr. 67.




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Die Strahlung von Mobiltelefonen und Sendemasten ist für Bienen tödlich.

Quasseln oder essen?
Die Bienen sterben weiter – überall dort, wo der Mensch nicht mehr ohne Mobilfunktelefon sein kann. Nach den Industrie- sind nun auch die Entwicklungsländer davon betroffen. Lesen Sie hier die lebenswichtigen neuesten Erkenntnisse darüber, wie der zunehmende Elektrosmog zu einer Bedrohung für das Überleben von Mensch, Biene und Vogel wird – und was wir dagegen unternehmen können!



Von Benjamin Seiler


Die Strahlung von Mobiltelefonen und Sendemasten ist für Bienen tödlich.

Am 25. August 2009 ging für die Amerikaner eine Ära zu Ende, als Senator Edward „Ted“ Kennedy, der jüngere Bruder von John und Robert, mit 77 Jahren einem Krebsleiden erlag. Seine Brüder wurden beide erschossen. Wie „natürlich“ aber war der Tod des „Löwen des Senats“, wie Edward Kennedy wegen seines politischen Einflusses genannt wurde, tatsächlich?

Tagelang strahlten die amerikanischen TV-Sender schier endlose Portraits über die geschichtsträchtigen und nun alle verstorbenen drei Brüder des Kennedy-Clans aus. Nur selten jedoch wurde dem Zuschauer inmitten dieser Bilderflut mitgeteilt, woran genau Ted Kennedy gestorben war: an einem Hirntumor nämlich.

Kein einziger der Journalisten und Kommentatoren fragte in diesen Berichten nach den möglichen Ursachen für dieses Krebsgeschwür in Kennedys Kopf. Und falls doch jemand darüber nachdachte, so hielt er brav den Mund, wohl wissend, welche Lawine er lostreten könnte.

Allem Anschein nach hat sich Senator Kennedy selbst buchstäblich zu Tode gekocht. Schuld daran ist ein kleiner „Mikrowellenofen“, den sich Milliarden von Menschen an den Kopf halten. Seit 47 Jahren im US-Senat, war Edward Kennedy ein sehr einflußreicher Mann gewesen, der jeden Tag stundenlang übers Handy mit anderen wichtigen Leuten sprach. Und dort hinter dem Ohr, an welches er sein Mobiltelefon drückte, begann dann der Krebs zu wuchern.

Ironie des Schicksals? Just an Ted Kennedys Todestag veröffentlichte eine internationale Arbeitsgemeinschaft im kalifornischen Berkeley ihren Bericht, wonach Handys Gehirntumore verursachen. Das von namhaften Wissenschaftlern unterzeichnete Exposé trägt den Titel Mobiltelefone und Gehirntumore: 15 Gründe zur Sorge. Wissenschaft, Meinungsmache und die Wahrheit hinter der Interphone-Studie. „Bei der Mobilfunkbestrahlung handelt es sich um das größte mit Menschen durchgeführte Gesundheitsexperiment aller Zeiten, an dem etwa vier Milliarden Personen ohne Einverständniserklärung teilnehmen“, sagte Co-Autor Lloyd Morgan bei der Pressekonferenz. „Die Wissenschaft hat ein erhöhtes Risiko für Gehirntumore sowie für Augenkrebs, Speicheldrüsentumore, Hodenkrebs, das Non-Hodgkin-Lymphom und Leukämie aufgrund der Verwendung von Mobiltelefonen nachgewiesen. Die Öffentlichkeit muß informiert werden.“

Dieser Meinung ist offenbar auch ein Amtskollege des verstorbenen Edward Kennedy. Senator Arlen Specter berief nicht einmal einen Monat später, am 14. September 2009, eine Anhörung vor dem zuständigen Unterkomitee des Senats ein. Das Thema lautete: „Gehirntumor und Mobiltelefone“.
Todesursache unbekannt?

Nicht nur wir Menschen sind Teil dieses „größten Gesundheitsexperimentes aller Zeiten“, sondern auch Billionen anderer Lebewesen, die Handys weder kaufen noch brauchen. Vor gut zwei Jahren schafften summende Insekten den Sprung in die weltweiten Schlagzeilen, wenn auch nicht ganz so prominent wie der verstorbene Senator Kennedy. Damals rätselten Fachleute und Imker über ein mysteriöses Bienensterben in Amerika, Europa und Asien, das es in diesem Ausmaß und in dieser Form noch nie zuvor gegeben hatte. Mysteriös deshalb, weil man im Bienenstock praktisch keine verendeten Insekten findet. Er ist einfach verlassen. Und wie immer, wenn Experten nicht weiter wissen, gab man dem Phänomen sehr schnell einen Namen: CCD – Colony Collapse Disorder, zu Deutsch etwa: Völkerkollaps.[1]

Besonders schwer betroffen war Nordamerika, wo an gewissen Orten bis zu 90 Prozent der Bienenvölker eingegangen waren. Doch auch Europa vermeldete massive Verluste. Und heute?

Heute ist es still geworden im Blätterwald. Nicht erst mit der Finanzkrise haben sich die Medien angeblich wichtigeren Themen zugewandt. Doch die Bienen verschwinden trotzdem weiter. 2008 starben an der amerikanischen Ostküste bis zu 70 Prozent der Populationen (in den USA sind schon mehr als ein Drittel aller Bienenvölker verendet), während die Bestände in Deutschland um 25 Prozent zurückgingen.
Kollaps des Immunsystems
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Sollen wir die Birnbäume etwa von Hand bestäuben, wenn die Bienen fehlen?

Dennis van Engelsdorp vom Forschungsinstitut American Association of Professional Apiculturists (Universität von Pennsylvania) gehört zu den Wissenschaftlern, die beauftragt wurden, den mysteriösen Bienenschwund zu untersuchen. Er stellte ein bislang unbekanntes Phänomen fest: „Wir haben noch nie so viele verschiedene Viren auf einmal gesehen. Außerdem haben wir Pilze, Flagellaten und anderen Mikroorganismen gefunden. Diese Vielfalt an Pathogenen ist verwirrend.“ Van Engelsdorp vermutet, daß den mysteriösen Phänomenen eine Immunschwäche zugrunde liegt und stellt die entscheidende Frage: „Sind diese Erreger der ursächliche Streßfaktor oder die Folgeerscheinung einer ganz anderen Belastung?“

Das deutsche Nachrichtenmagazin Der Spiegel zitierte Diana Cox-Foster, ein Mitglied der CCD Working Group, mit den Worten: „Äußerst alarmierend ist, daß das Sterben mit Symptomen einhergeht, die so bisher noch nie beschrieben wurden. Das Immunsystem der Tiere scheint zusammengebrochen zu sein, manche Bienen leiden an fünf bis sechs Infektionen gleichzeitig. Doch tote Bienen sind nirgendwo zu finden (Spiegel 12/2007).“

Warum das so ist, erklärt der deutsche Forscher Dr. rer. nat. Ulrich Warnke. Der Biowissenschaftler an der Universität des Saarlandes ist ein Mitbegründer des gängigen Begriffs „Elektrosmog“ und beschäftigt sich seit über drei Jahrzehnten mit den Auswirkungen elektrischer und elektromagnetischer Felder auf Organismen. Gemäß Warnke sind technische Magnetfelder beispielsweise in der Lage, bei Bienen das für alle Lebewesen enorm wichtige Redox-System[2] im Körper zu stören. Ist das Redox-Gleichgewicht und der damit verbundene Haushalt freier Radikale aus dem Lot, können sich die Bienen laut Warnke nicht mehr nach Geruchsmomenten orientieren, und auch das lebensnotwendige Lernprogramm funktioniert nicht mehr. Mit anderen Worten, sie fliegen in die Irre und finden nicht mehr heim.

Dies ist ein erster wissenschaftlich belegter Hinweis, weshalb Elektrosmog tatsächlich für das mysteriöse Verschwinden ganzer Bienenvölker verantwortlich ist und auch als eigentliche Ursache für die vielen verschiedenen Bienenkrankheiten gelten muß. Denn, so Warnke: „Da das Redox-System jedoch auch maßgeblich das Immunsystem steuert, betrifft der gestörte Redox-Haushalt immer auch die Immunabwehr des Organismus.“

Obwohl Bienenhonig absolut keimfrei ist (dieses Lebensmittel verdirbt nicht) und sogar stark antiseptisch wirkt (man kann damit Wunden reinigen und die Heilung beschleunigen), bricht das Immunsystem der Bienen selbst zusammen – ganz ähnlich wie beim Menschen. Warum nur?

In den Augen vieler Alternativmediziner kommt dies nicht von ungefähr, sondern ist eine typische und leicht nachvollziehbare Folge von Elektrosmog, unter welchem immer mehr Personen leiden – sei dieser nun niederfrequent (Hochspannungsleitungen, Hausstrom, elektrische Geräte) oder hochfrequent (Telekommunikation).

Ein geschädigtes Immunsystem kann eine schier unüberblickbare Kaskade von möglichen Folgen nach sich ziehen, denn jeder Mensch weist individuelle biologische Schwachstellen auf, die sich dann als unterschiedliche Krankheiten manifestieren. So bilden sich eben nicht bei allen Personen die genau gleichen Krankheitsbilder aus, was es auch so schwierig macht bei der Elektrosmogproblematik wissenschaftlich anerkannte Ursachen zu belegen.
Elektromagnetismus steuert das Leben

Dabei vergißt man, daß praktisch alle physischen Krankheiten ein und dieselbe Wurzel haben: die Störung des Stoffwechsels innerhalb einer Körperzelle und/oder die Störung der Kommunikation zwischen diesen Zellen. Denn die kleinste biologische Einheit eines jeden Organismus ist nun mal die Zelle. Und so sind es gerade die Zellen, welche auf elektromagnetische Felder und Strahlung extrem sensibel reagieren. Das muß so sein, schließlich werden alle Lebensprozesse letztlich vom Sonnenlicht gesteuert – also von elektromagnetischen Wellen. Fast ebenso wichtig ist das Magnetfeld der Erde. Selbst die Nahrung, die wir essen, weist ein meßtechnisch nachweisbares energetisches Potential auf. Sowohl Fische als auch Pflanzen, die man einem speziellen Elektrofeld aussetzt, werden viel größer als üblich. Nutzpflanzen erbringen weit höhere Erträge und manchmal wandeln sich diese Tiere und Pflanzen sogar zu oft ausgestorbenen, viel widerstandsfähigeren Urformen![3] In der modernen energetischen Medizin arbeitet man seit Jahren erfolgreich mit elektrischen Impulsen, Magnetfeldern und bestimmten Frequenzen, um den Menschen ganz ohne materielle Arzneien zu heilen. – Und da sollen die technisch erzeugten Wellen von Mobilfunktürmen und anderen Telekommunikationsmitteln lebende Zellen nicht beeinflussen?!

Tatsächlich kommunizieren Zellen mit Lichtimpulsen (was sich dank Kirlianfotografie und anderen Technologien auch nachweisen läßt), also mit elektromagnetischer Strahlung. Diese ist jedoch meist milliardenfach schwächer als die heute üblichen „Grenzwerte“ für die Telekommunikation, welche unsere Gesundheit „schützen“ sollen. Sind lebende Zellen diesem Bombardement technischer Strahlen ausgesetzt, geht es ihnen nicht anders als einem klassischen Gitarrenensemble, das ein Vivaldi-Stück spielen sollte, während direkt neben den Musikern plötzlich ohrenbetäubende Rockmusik aus 1000-Watt-Lautsprechern wummert: Sie geraten aus dem Takt und ein Zusammenspiel ist nicht länger möglich. Natürlich darf man sich in diesem Beispiel fragen, welcher Idiot an einem solchen Ort an seiner Gitarre zupfen würde – doch wie, bitteschön, sollen sich Lebewesen der mittlerweile flächendeckenden Mobilfunkstrahlung entziehen?
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Wenn Zellen „aus dem Takt“ geraten, wird der Organismus krank. Die Zellkommunikation muß nicht nur wegen der Intensität der abgestrahlten Mikrowellen gestört werden, sondern auch, weil die moderne Telekommunikation, gerade was den Mobilfunk betrifft, auf jenen Frequenzen oder „biologischen Fenstern“ sendet, welche Zellen „hören“ können. Und da die technische Funkstärke um Exponenten größer ist als die „Lautstärke“, mit welcher Zellen miteinander „sprechen“, müssen Zellschäden bereits bei Feldstärken auftreten, die weit unter den offiziellen „Grenzwerten“ liegen – zumal diese „Grenzwerte“ ausschließlich auf sogenannt „thermischen Effekten“ basieren. Das heißt, sie sollen bloß Schäden verhindern, welche durch Überhitzung des Kopfes entstehen, weil man sich das Handy zu lange ans Ohr gehalten und damit telefoniert hat (das im Mikrowellenofen erwärmte Mittagessen läßt grüssen!). Alle anderen Schäden werden bei diesen „Grenzwerten“ gar nicht erst berücksichtigt (siehe Seite 18).

(…)

In unserem aktuellen Mobilfunkreport werden die aktuellsten Studien vorgestellt, die beweisen, dass nicht länger nur Bienen unter der Handy-Strahlung leiden, sondern vermehrt auch Vögel und größere Tiere. Zudem erklären Wissenschaftler mit einfachen Worten, weshalb gerade die Bienen so sensibel auf elektromagnetische Felder und Strahlung reagieren. Sie erfahren die neusten Erkenntnisse darüber, wie die Zugvögel sich während ihrer langen Reise orientieren, und was das alles beispielsweise mit dem HAARP-Projekt zu tun hat.

Den vollständigen Artikel finden Sie in unserer Druckausgabe Nr. 64.

Das wichtigste zum Thema Mobilfunk, und weshalb wir in den nächsten Jahren mit einem enormen Anstieg von Krebskrankheiten in der Bevölkerung rechnen müssen, finden Sie hier.





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[1] vgl. ZS 55 (3. Quartal 2007): Rotten Handystrahlen unsere Bienen aus?

[2] Eigentlich: „Reduktions-Oxidations-Reaktion“. Bei diesem fundamentalen chemischen Prozeß gibt ein Stoff Elektronen ab (Oxidation), während sein Reaktionspartner Elektronen aufnimmt (Reduktion). Ein gesundes Verhältnis solcher Vorgänge ist für alle Zellen überlebenswichtig."

[3] vgl. ZS 56, Seite 2: „Der Urzeit-Code – Elektrofeld statt Gentechnologie“.





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Bauernsterben-wir sterben mit

Bauern sterben - wir sterben mit

von Wolfgang Hingst, Publizist, Wien



"Die EG führt Krieg gegen die Bauern. Die Agrarpolitik der EG ist auf Industrialisierung ausgerichtet, mit all ihren verheerenden Folgen: Massentierhaltung mit Einsatz von erlaubten Antibiotika und verbotenen Hormonen, Überschussproduktion mit Hilfe giftiger Spritzmittel und schädlicher Treibdünger auf den Feldern, Erzeugung von Ersatzprodukten nach dem Motto Eiweiss ist Eiweiss, Anwendung gentechnischer Methoden zur Ertragssteigerung, Subventionsdschungel. Kleine Bauern, vor allem in Süd- und Osteuropa oder in den Berggebieten, können da nicht mithalten und gehen zugrunde: Tod der Bauern." Das habe ich 1992 in meinem Buch "10 Thesen gegen Gross-Europa"1 geschrieben, als die EU noch EG hiess, Europäische Gemeinschaft. So recht, wie ich hatte, wollte ich eigentlich gar nicht haben.

Heute zeigt sich mehr denn je, dass Politik und Wirtschaft unfähig sind, den Teufelskreis der europäischen und übrigens auch der amerikanischen Landwirtschaft zu durchbrechen: Durch die Senkung der Preise auf "Weltmarktniveau" (wer bestimmt das eigentlich? Man glaubt doch hoffentlich nicht: der "Markt", sind die Bauern gezwungen, noch grössere Mengen zu produzieren, noch mehr Dünger und Spritzmittel einzusetzen, ihren Betrieb zu industrialisieren wo es geht, um halbwegs kostendeckend arbeiten zu können.

Hintergrund: Globalisierung
Wenn die Globalisierung gewinnt, so der französische Bauer und Aktivist José Bové, wäre das "das Ende der Landwirtschaft und die Eliminierung von Hunderten Millionen Bauern auf der ganzen Welt", eine ökologische und soziale Krise für die ganze Menschheit.2

Dem könne man nur gegensteuern, wenn man die Landwirtschaft aus der WTO rausbekomme und das "Recht auf Ernährungssouveränität" durchsetze, das Recht jedes Volkes, seine Lebensmittel selbst herzustellen.

In unseren Tagen leben auf der Erde erstmals mehr Städter als Landbewohner. Die Welt wird in zwei Lager gespalten: In einen armen grossen Teil, der (noch) Lebensmittel produziert, und in einen reichen kleinen Teil, der Hochtechnologie entwickelt, Industriegüter herstellt und seine Bauern opfert.

Wirklich wehren können sich die Bauern kaum. In den Industrieländern stellen sie nicht einmal mehr 5% der Bevölkerung. Sie sind abhängig von einem übermächtigen Filz von Politikern, Funktionären, Genossenschaften und Banken, die sie über Produktionsmittel und Kredite in der Hand haben, und vom Staat, der sie am Subventionstropf hält.

Es gibt Menschen - und zu ihnen gehören auch Politiker -, die angesichts der Tatsache, dass bald der letzte europäische Bauer Haus und Hof verlassen hat, mit keiner Wimper, dafür aber mit den Achseln zucken. Lebensmittel biete doch jeder Supermarkt in Fülle. Verlust der Bodenhaftung.

Europa müsse "alles, was sie produzieren", so Ex-EU-Agrarkommissar Franz Fischler,3 im Rahmen internationaler Abkommen aus den ärmsten Ländern importieren, den sogenannten LDC (Least Developed Countries), ohne Begrenzung sogar. Das helfe denen enorm. Kein Wort darüber, dass dies jene Länder sind, die ihre Bevölkerung in keiner Weise ernähren können. Täglich sterben in den LDC abertausend Menschen an Hunger und seinen unmittelbaren Folgen.

Werden also die LDC Lebensmittel zu uns senden, die wir brauchen, wenn es durch die verantwortungslose Agrarpolitik der EU bei uns keine Bauern mehr gibt? Natürlich nicht. Es geht ausschliesslich um Produkte der Agrarindustrie, zum Beispiel um Zucker. Nach der "Zuckerreform", die Ende Juni von der EU-Landwirtschaftskommissarin Mariann Fischer Boel vorgestellt wurde, sollen die Preisstützungen für Zucker in der EU stark gekürzt werden, der Zuckerpreis um rund 40% fallen. Ein Todesurteil für die meisten Rübenbauern.

Nun ist Zucker kein lebensnotwendiges Lebensmittel. Es wäre daher tatsächlich sinnvoll, die Stützungen nach und nach zu reduzieren und dafür den Anbau notwendiger Produkte zu fördern. Aber genau daran wird in Brüssel nicht gedacht. Es geht nur um eine Verlagerung der Probleme nach aussen. Herr Fischler rechnet vor: Zu den 20 Millionen Tonnen, die Europa jetzt produziert, liegen schon 4 Millionen "über Bedarf". (Ein altes Problem: 1992 türmten sich wahre Überschussgebirge von 30%, 1987 waren es sogar 36%). 1,4 Millionen kommen durch Sonderverträge mit den AKP-Staaten (Afrika, Karibik, Pazifik) in die EU. Mindestens 6 Millionen Import sind über die LDC-Verträge zu er erwarten. Fischler: "Wenn man da nichts macht, explodiert das System."

Was Franz Fischler nicht sagt: All das dient nur der Förderung von riesigen Monokulturen und der Agrarindustrie, deren Hauptnutzniesser nicht die Armen in den LDC sind, sondern die Reichen. Das Manöver dient nur dem Senken des Zuckerpreises auf "Weltmarktniveau". Was das bedeutet, kann nicht einmal ein Fischler leugnen: "Wenn man die EU-Landwirtschaft dazu zwingt, sich in Konkurrenz zum Rest der Welt zu stellen, dann steht der Bauer auf verlorenem Posten."4 Zuckerrohranbau sei, so Fischler, gemessen am Output, immer ökonomischer als Rübenanbau. Und dann würde auch die vergleichsweise kleinteilige europäische Landwirtschaft nicht gegen Grossbetriebe reüssieren können.

Und die sitzen zum Beispiel dort, wo man von der EU vehement "Weltmarktpreise" und ein Ende der Förderung der Landwirtschaft fordert: in den USA. Unter 500 Hektar braucht man in den Staaten gar nicht anzufangen. Elf Millionen europäischer Bauern produzieren etwa gleich viel wie zwei Millionen US-Farmer! Ohne Agrarförderung hätte man laut Fischler schnell fünf Millionen Arbeitslose. Man darf wohl hinzufügen: mindestens.

Blairs Bauernkrieg
Man kann es nicht fassen, aber genau diese Ignoranz charakterisiert die Agrarpolitik der EU seit ihren Anfängen. Es ist geradezu ihre besondere Spezialität, eine nicht zukunftsfähige Landwirtschaftspolitik zu betreiben. Die Brüsseler Bürokraten führen schon lange einen regelrechten Krieg gegen unsere Bauern - und sägen damit fleissig an dem Ast, auf dem wir alle sitzen.

Seit Anfang der 90er Jahre bietet sich überall in Europa das gleiche Bild: Hart am Rande des Bauernkriegs kämpfen die Landwirte um ihre Existenz. Der Fall José Bové zeigt, wohin Bauern kommen, wenn eine verantwortungslose Politik ihnen die Existenz rauben will: ins Gefängnis. Der Aktivist musste bisher viermal einsitzen, unter anderen wegen des Ausreissens gentechnisch veränderter Pflanzen.

Die EU gibt derzeit im Jahr 40% ihres Budgets von insgesamt 106 Milliarden Euro (2005) für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) aus. Wenn man bedenkt, dass diese enorme Summe bisher zu einem erklecklichen Teil in industrialisierte Landwirtschaft, sinnlose Überschussproduktionen, Bevorzugung von Grossbetrieben und Agrarindustrie, Exportstützungen (samt Milliardenverlusten durch Subventionsbetrug) und ähnliche Absurditäten gesteckt wurde, macht es schon Sinn, dieses System in Frage zu stellen. Nur etwa 1% wird für umweltgerechte, extensive Landwirtschaft ausgegeben.

Geht es um die EU, muss man besonders aufpassen, wer vor welchem Hintergrund seine Vorschläge macht.

Zur "Lösung" der Budget-Krise 2005 hat der britische Premier Blair nonchalant vorgeschlagen, auf den sogenannten Briten-Rabatt zu verzichten, wenn im Gegenzug der EU-Etat so umstrukturiert wird, dass nicht mehr 40 Prozent aller Mittel in die Landwirtschaft gepumpt werden. So kolportierten es die meisten Medien - falsch.

Um zu verstehen, worum es geht, muss man etwas zurückblicken. Den Briten-Rabatt in der Höhe von 4,6 Milliarden Euro hat seinerzeit Premierministerin Margret Thatcher unter der Devise "Ich will mein Geld wieder" ausgehandelt. Sie hatte sich damit unter die anderen Vernebelungskünstler der Politik eingereiht, welche die Öffentlichkeit glauben machen wollen, das von einem Nettozahler-Land in den EU-Topf eingezahlte Geld müsse auch wieder zurückkommen. Das sind natürlich nur Rosstäuschertricks, um die Bevölkerung zu beschwichtigen, die nicht versteht, warum dringend im eigenen Land benötigtes Geld in andere Länder transferiert wird. Nein, das Geld ist selbstverständlich zu einem guten Teil perdu. Ausser für die Briten eben.

Blairs Vorschlag bedeutet, dass die europäischen Bauern endgültig Weltmarktpreisen ausgesetzt werden, die sie allesamt ruinieren, sogar grosse Betriebe. Daher versuchte der französische Präsident Jacques Chirac, Blair allein den schwarzen Peter zuzuschieben: Die Engländer hätten erst ihre Landwirtschaft fallengelassen, dann ihre Industrie. Heute gehe es ihnen nur wegen ihrer "Immobilien- und Finanzblase" und ihrer Autonomie bei der Versorgung mit Öl und Gas aus der Nordsee so gut.

Natürlich haben die französischen Regierungen Mitschuld am Bauernsterben. Aber Überheblichkeit und Ignoranz der britischen Regierung sind unüberbietbar. So erklärte Grossbritanniens Vizepremier John Prescott, es könne nicht sein, dass "drei Milliarden Menschen mit weniger als zwei Dollar pro Tag auskommen müssen, während eine europäische Kuh 2,50 Dollar erhält". Es sollte in Menschen statt in Kühe investiert werden. Eine Manipulation der Sonderklasse. Warum veranstaltet Herr Prescott nicht eine Gegenrechnung mit den Kosten des Irak-Krieges?

Auf die Wahrheit hinter Blairs Vorschlag wurde bisher nur in wenigen Medien hingewiesen. Es ist nämlich in Wirklichkeit so, dass keineswegs ein Verzicht auf den Briten-Rabatt verlangt wurde. Es ging vielmehr um ein Einbremsen seiner Steigerung in den nächsten Jahren.

Der glücklose Luxemburg-Premier Jean Claude Juncker hatte für die Budget-Periode 2007 bis 2013 eine Deckelung des Briten-rabatts auf 5,5 Milliarden Euro vorgeschlagen, denn mit den jährlichen Erhöhungen des EU-Budgets hatte der sich bis 2013 von derzeit 4,6 auf über 7 Milliarden Euro erhöht! Blair war hingegen nur zu geringfügigen Kürzungen bereit und verlangte dafür die besagte Kürzung der Agrarförderung.

Blair kennt natürlich die landwirtschaftlichen Strukturen in Europa. Er weiss, dass die Franzosen am meisten von den Agrar-Förderungen profitieren. Er will Frankreich treffen: Eine Entente cordiale der langen Messer. Und Blair kann sich erinnern, dass er im Oktober 2002 im Brüsseler Hotel Conrad zustimmte, dass bis 2013 die EU-Agrarausgaben 43 Milliarden Euro nicht übersteigen dürfen, dass sie also de facto eingefroren werden, wofür er im Gegenzug durchsetzte, dass die Hilfe auch für profitable Grossbetriebe erhalten bleibt. Unter den fröhlichen Nutzniessern: die Queen und Prinz Charles. Mehr als 1 Million Euro kassiert die königliche Familie pro Jahr an EU-Agrarförderungen für ihre riesigen Landgüter.

Und Premier Blair weiss natürlich, dass in Grossbritannien die durchschnittliche Betriebsgrösse in der Landwirtschaft wesentlich höher liegt als in den allermeisten anderen EU-Ländern. Und er weiss, dass die Kleinen nur mit staatlicher Unterstützung überleben können.

In der EU lag die durchschnittliche Betriebsgrösse 2001 bei 19 Hektar, in Grossbritannien bei rund 70 Hektar! In Portugal, Italien und Griechenland haben rund drei Viertel der Betriebe unter 5 Hektar, während in Grossbritannien ein Drittel der Betriebe in die Grössenklasse 50 Hektar und mehr fällt - eine Grössenklasse, die in den anderen EU-Staaten nur einen kleinen Anteil ausmacht. Die mittlere landwirtschaftliche Nutzfläche liegt in Portugal bei 8,2, in Italien bei 8,4 und in Griechenland bei 4,2 Hektar.5 Zum Vergleich: In Deutschland liegt die durchschnittliche Betriebsgrösse bei 35, in Österreich bei 13,6 und in der Schweiz bei 16,8 Hektar.

Bauernsterben: kuschen oder krepieren
"Die EU beschleunigt das Bauernsterben in einem enormen Tempo: Alle zwei Minuten geht in der ÐGemeinschaftð ein Hof kaputt. Insgesamt werden jedes Jahr 350000 Höfe oder 500000 Arbeitsplätze vernichtet. ÐDas Bauernsterben ist nur die Vorhut des Arbeitersterbensð, sagt der österreichische Agrarexperte Heinrich Wohlmeyer." Das habe ich im März 1994 geschrieben.

Schon 1974 hat der österreichische Agrarexperte Alfred Haiger geschrieben: "Jeder Staat muss sich seine Grundnahrungsmittel auf der Basis der natürlichen Bodenfruchtbarkeit und einer artgerechten Tierhaltung selbst erzeugen und gleichzeitig die gewachsene Kulturlandschaft pflegen."6 Gegen diesen kultivierten und vernünftigen Grundsatz wird in der EU von Anfang an vehement verstossen.

Die von seiten der EU vorgelegten Daten sind ebenso dürr wie entsetzlich: Im Zeitraum 1975 bis 1995 sind mehr als 1,4 Millionen landwirtschaftliche Betriebe in Eu-ropa aufgegeben worden. Besonders 1980 bis 1995 sank die Zahl der Betriebe in ganz Europa drastisch, in Belgien, Luxemburg, Dänemark und Frankreich sogar um mehr als 40%.7 Diese beispiellose Konzentration der landwirtschaftlichen Betriebe sei eine Folge "der Landflucht und der Industrialisierung der europäischen Gesellschaften" - meint der EU-Statistiker Michel Poiret. Zwischen 1990 und 1995 sei noch hinzugekommen, dass viele Landwirte das Rentenalter erreichten oder eine Beihilfe für die Aufgabe ihrer Tätigkeit erhielten. Poiret: "Im besagten Zeitraum gaben im Europa der zwölf über eine Million Landwirte ihre Tätigkeit auf, das entspricht mehr als 550 Betriebsaufgaben pro Tag! Diese Tendenz setzte sich seit 1995 fort."

Da haben wir's also: Alles andere war schuld, nur nicht die verfehlte Agrarpolitik der EU und der WTO, die Industrialisierung und "Weltmarktpreise" durchpeitschen und den Landwirten nur eine Botschaft hinterlassen, bevor sie sich kriegerischer Machtpolitik zuwenden: wachsen oder weichen, kuschen oder krepieren.

Eine starke Reduktion der Förderungen à la Blair würde dazu führen, dass die Landwirtschaft in den europäischen Ländern mit kleinräumiger Struktur - und das sind die meisten - nicht mehr überlebensfähig wäre.

Verfechter einer industriellen Landwirtschaft könnten einwenden, dass mit dem Untergang der Kleinstrukturen nur die Betriebsgrössen nach oben verschoben würden. Die Grossbetriebe siedeln sich aber ausschliess-lich in industriell leicht bestellbaren "Gunstlagen" an. Das würde aber nicht nur den Untergang ganzer Kulturlandschaften, vor allem in den Berglandgebieten bedeuten, von deren Ausmass und Folgen sich solche Leute keinen Begriff machen können, es würde auch zu mehr Gift- und Gentechnikeinsatz in der Lebensmittelerzeugung führen, mit enormen Auswirkungen auf die Gesundheit der Bevölkerung. Der ohnehin triste Arbeitsmarkt würde zudem mit Hunderttausenden weiteren Arbeitssuchenden überschwemmt werden.

Und noch etwas sehr Gravierendes käme hinzu: Wenn alles auf industrielle Landwirtschaft zugeschnitten ist, wird die Lebensmittelproduktion noch energieabhängiger. Was das in Zeiten rapid steigender Ölpreise und in absehbarer Zeit (etwa in 20 Jahren) heute noch unvorstellbarer Ölverknappung bedeutet, ist nicht schwer zu verstehen, wird aber verdrängt. Das Bauernsterben ist ein Teil der Bedrohung menschlicher Existenz auf diesem Planeten, die ich in meinem Buch "Paradies oder Weltuntergang - wir haben die Wahl"8 beschrieben habe.

Schon heute ist die Situation äusserst besorgniserregend
In Österreich stirbt alle 78 Minuten ein landwirtschaftlicher Betrieb. Seit 1990 musste in Österreich jeder dritte Bauernhof dichtmachen. Durch den EU-Beitritt 1994 wurde das Tempo des Bauernsterbens noch wesentlich verschärft. Vor 15 Jahren gab es noch 281000 Agrarbetriebe. 1999 waren es 218000. Heute sind es nur noch 180000. Mehr als 60% davon werden als Nebenerwerbsbetrieb ohne Zukunftsperspektive geführt.

In Deutschland ging die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe (ab 2 Hektar) von 410000 im Jahr 2001 auf 388100 im Jahr 2003 zurück. 2004 kam es zu einer dramatischen Entwicklung wie nie zuvor: Allein in diesem Jahr mussten 15700 bäuerliche Betriebe schliessen, Zahlen, die als "gröss-tes Bauernsterben in der Geschichte" bezeichnet wurden. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, dann gibt es in Mitteleuropa bald keine Bauern mehr, sondern nur noch Agrarfabriken.

Alle Bauern, Biobauern, ebenso die konventionell wirtschaftenden Landwirte erhalten zuwenig Geld für ihre mühsam erzeugten Produkte. Landwirte erzeugen unsere Lebens-Mittel, unsere Mittel zum Leben - aber wir bezahlen sie nicht fair.

Vor 40 Jahren gaben wir noch 40 Prozent unseres Einkommens für Lebensmittel aus, heute noch etwa 10 Prozent. Für unsere Autos ist uns nichts zu teuer. Urlaub, "Events", Partys, Fit&Fun sind den meisten wichtiger als ihre Lebensgrundlagen.

Eine grandiose politische Fehlleistung
"Der Krieg gegen die Bauern in der EU hat eine lange Geschichte. Sie setzt nicht auf den Ðbäuerlichen Familienbetriebð, sondern auf die Industrialisierung der Landwirtschaft. Die Eurokraten nennen das zynisch ÐStrukturbereinigungð. Landwirte, die weniger als 80 bis 100 Hektar bewirtschaften, haben kaum Überlebenschancen. Bei Milchbauern liegt die Überlebensgrenze bei etwa 35 Kühen."

Mit dieser Warnung bin ich schon im März 1994, also vor der EU-Abstimmung, an die Öffentlichkeit gegangen. Die Medien haben darüber kaum berichtet. Auch nicht über die Erklärung des österreichische Agrarexperten Heinrich Wohlmeyer: "Das österreichische Institut für Wirtschaftsforschung spricht von einer notwendigen 'Strukturbereinigung' von 10 auf 1. Das heisst, aus zehn landwirtschaftlichen Betrieben müsste einer werden, damit wir Ðeurofitð sind."

Das Landwirtschaftsministerium redet sich darauf aus, dass der Abschluss der GATT-Uruguay-Runde 1994 und der EU-Beitritt 1995 zu einer Einschränkung der nationalstaatlichen Gestaltungsmöglichkeiten führten.9 Aber das meiste war hausgemacht und darauf zurückzuführen, dass die österreichische Bundesregierung sowie alle Parteien und Interessenverbände die Bauern dem EU-Betritt opferten. Prompt kam es schon im ersten Beitrittsjahr Österreichs zu massiven Einbrüchen bei den landwirtschaftlichen Erzeugerpreisen (durchschnittlich -18%) und folglich zu einem Rückgang der nominellen Endproduktion (-24%).

Damals wurden die Einkommensverluste durch eine Aufstockung der Direktzahlungen ausgeglichen. Heute droht dank Blair und den USA (WTO) nach und nach der totale Verlust der Förderungen.

Nachdem man die Bauern eingesackt hatte, liess Brüssel die Katze aus dem Sack. Stichwort: "Agenda 2000". Der aus Österreich stammende Agrarkommissar Franz Fischler liess die Bauern wissen, dass die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 1999 schrittweise zu spürbaren Einschränkungen der Ausgleichszahlungen für alle Bauern in der Union führen wird. Und wozu wurde das freiwerdende Geld gebraucht? Für die Bauern in Osteuropa, um die "Ost-Erweiterung" der EU durchzuziehen.

Nach dem Bonner Agrarökonomen Rudolf Wolffram war die GAP schon von Anfang an eine "grandiose politische Fehlleistung": "Erstens werden durch die Reform die Überschüsse nicht abgebaut. Und zweitens werden die Marktordnungskosten nicht gesenkt, sondern sogar erhöht. [...] Die Landwirte sehen sich mit höheren Produktionskosten und niedrigeren Einkommen konfrontiert. [...] Soziale und gesellschaftliche Spannungen sind vorprogrammiert." (Die Zeit, 1994)

Die Produktion von Überschüssen in der Landwirtschaft ist zwar in den letzten Jahren gedämpft worden. Das Ideal der Agrar-industrie ist aber noch immer die Massenproduktion.

Auf die Frage, ob die Agrarreform denn nicht wenigstens das Manko beseitigt habe, dass nur 20% der Betriebe 80% der Subventionen kassieren, antwortete Wolffram: "Genau das nicht. Weil die Prämien praktisch ohne Betriebsgrössengrenzen gezahlt werden, bekommen die grösseren Betriebe auch mehr Unterstützung. [...] Das ist sozialer Sprengstoff. Insgesamt ist die Landwirtschaft in eine noch stärkere Umklammerung durch die Bürokratie geraten. Hier liegt das eigentliche Problem."

Obwohl die Bauern in Europa schwere Einkommensverluste hinnehmen mussten, verlangen die Brüsseler Bürokraten weiterhin massive Preisreduktionen bei landwirtschaftlichen Produkten. "Oberste Maxime ist: Es darf nichts kosten", kritisiert Agrarexperte Alfred Haiger. In der Tat: Diese Forderung kommt von einer Lobby, die sich allein an der Grösse orientiert, am Grössenwahnsinn von Hunderttausenden Stück "Nutzvieh" in der Massentierhaltung und riesigen Anbauflächen. Diese Anbauflächen sehen dann auch so aus wie manche Werbebilder der Agrochemie: Monokultur, soweit das Auge reicht, kein Baum, kein Strauch, an dem sich dieses Auge oder ein Vogel ausruhen kann, der ganze Horizont eine einzige kahle Fläche, monoton Sonnenblumen oder Getreide und sonst nichts.

Dafür zahlen wir alle einen zu hohen Preis: Naturzerstörung, vergiftetes Wasser, tote Böden, kranke Tiere und Menschen. Weil mehr und mehr "intensiviert" wird, kommt es zu einem verstärkten Einsatz von Tiermehl (nein, der Rinderwahnsinn und seine Entsprechung beim Menschen sind noch nicht ausgestorben), Handelsdüngern und giftigen Spritzmitteln. Die Bauern können nicht anders: Sie müssen den Preisverfall durch höhere Produktionsmengen wettmachen.

Sicco Mansholt, 1958 bis 1972 Vizepräsident der EWG in Brüssel und Chef des Agrarressorts, nannte dazu ein Beispiel: 1988 hat die EG den Getreidepreis um fast 30% gesenkt. In der Folge nahm die Produktion um rund 2% jährlich zu.

Mansholt hat immer für "angemessene" Preise plädiert. In seiner Definition des "Angemessenen" liess er 1991 in einem Interview mit dem "Zeit"-Redakteur Fritz Vorholz den ganzen Grössenwahn der EU erkennen: "Ich verteidige einen Preis, der einem effizient arbeitenden Familienbetrieb von etwa achtzig bis hundert Hektar ein Auskommen ermöglicht. Mehr als vier Fünftel aller Betriebe in der EG erfüllen diese Voraussetzung gar nicht." Und er fügte hinzu: "Zum Glück löst sich das Problem weitgehend auf natürlichem Weg, weil die Hälfte der Agrarbevölkerung schon über 55 Jahre alt ist. Die Jüngeren müssen Arbeitsplätze ausserhalb der Landwirtschaft suchen."

Der nach Mansholt benannte Plan zur Rationalisierung der europäischen Landwirtschaft stellte denn auch die Weichen zur heutigen Katastrophe. 1992 kommentierte ich das so: "Was das heisst, sollte sich jeder bewusst machen: Europa ist ein Europa der kleinen Landwirte. Von 100 landwirtschaftlichen Betrieben bewirtschaften in den meisten Ländern, auch in der EG, zwischen 30 und 90 weniger als 10 Hektar! Im Durchschnitt bearbeitet ein Bauer in der EG 14 Hektar, in den USA hingegen 127 Hektar."10

Auch Mansholts Nachfolger Ray Mac-Sharry hat die Bauern verstärkt in Frühpension geschickt. Traf sich gut, denn die freiwerdenden Böden konnten verbaut werden: mit Autobahnen und Satellitenstädten und Flughäfen und Einkaufszentren und Lagerhallen und Fabriken und Reihenhäusern und Fertigteilbetonburgen und "Vergnügungszentren" und - besonders wichtig - Parkplätzen. Und auf die "Jüngeren" wartete schon die Arbeitslosenunterstützung. Zahlt auch der Staat.

Und wo bleibt der Konsument?
Der Verbraucher hat von den Agrar-Dumping-Preisen gar nichts. Der Bauer kassiert auch nicht. Wer dann? Auf die Frage nach der Ursache zwischen niedrigen Erzeugerpreisen und hohen Regalpreisen hat der deutsche Agrarwissenschafter Onno Poppinga schon vor fast 20 Jahren eine schöne Antwort gegeben, die heute noch gilt:

"Die Exportsubventionen, die Lagerhaltung, die Profite der Verarbeitungsindustrie - das treibt die Preise hoch. Die Bauern bekommen doch nur einen Bruchteil des Geldes, das der Verbraucher zahlt. Wer die Erzeugerpreise noch weiter senken will, der hat die Interessen der Agrarindustrie und des Exporthandels im Auge und schert sich den Teufel um die Bauern, die aufgeben müssen, weil sie von noch niedrigeren Preisen nicht mehr leben können."11

Weltmarktpreise, so Poppinga, seien nichts anderes als "von Exportinteressen diktierte politische Preise". Der deutsche Bauernsprecher Josef Jacobi sagte schon zu Beginn der 90er Jahre über die tausend Kanäle, in denen die EU-Subventionen versickern: "Es wird [...] von einigen wenigen nur viel Geld abgesahnt. Doch bei der Mehrzahl der Bauern kommen die Gelder gar nicht an. 85% der EG-Subventionen gehen in die Lagerhaltung, zu den Importeuren und Exporteuren, zu den Transportfirmen, oder sie bleiben in der Agrarverwaltung hängen. Da wird geschoben und betrogen."12

Wer die Masslosigkeit der Landwirtschaft kritisiert, muss wissen, dass die Mehrheit der biederen und ein wenig gutgläubigen Landwirte von einer verschwindend kleinen, raffiniert ihre Gier nach immer Mehr stillenden Gruppe in die Katastrophe getrieben wird. Weltweit. Beim Getreide etwa überwacht ein internationales Konsortium mit Satelliten die gesamte Weltproduktion. Die Preise werden hinter dicken Polstertüren aushandelt.

Zu den Profiteuren gehören auch die Genossenschaften, die längst in Banken, Versicherungen und Handel "diversifiziert" und ihren Bezug zur Landwirtschaft immer mehr abgebaut haben. Raiffeisen war (und ist) der grösste EU-Befürworter: "Volle Kraft voraus in Richtung EG!" hiess es vor der EU-Abstimmung in Österreich. "Aufspringen, so lange es noch Zeit ist!" hiessen die Parolen der Manager im "Minimundus Austriacus". Bauernfänger aller Couleur beteuern gegenüber den Schäfchen, die sie scheren, dass die EG "voll auf den bäuerlichen Familienbetrieb setzt". Lachhaft! Sicco Mansholt hatten die Bauern nicht gelesen, also gingen sie auf den Leim.

Noch eine Gruppe profitiert vom Bauern- und Konsumentenmelken: die Lebensmittel-Riesen. Ein Branchenkenner: "Die Konzernbosse haben grossen Appetit. Bei der Massenproduktion für den grössten Binnenmarkt der Welt ergeben sich enorme Rationalisierungseffekte. Nur die Grossen haben die Infrastruktur und die Fähigkeit, durch paneuropäische Aktivitäten interne Einsparungen zu erreichen."

Deshalb sagt der französische Bauernaktivist José Bové: "Ich denke, dass die Supermarktketten zerschlagen gehören. [...] Es gibt ein Einkaufsmonopol, das Abhängigkeit erzeugt und das verhindert, dass Bauern angemessene Preise für ihre Produkte bekommen. [...] Ich bin daher für die Entwicklung von regionalen Märkten, von Netzwerken zwischen Bauern und Konsumenten, wie sie gerade in Frankreich entstehen."13

Der Milchüberschuss in der EG lag 1992 bei rund 15%. Trotz der immensen Drosselung durch stark fallende Preise hat sich in der heutigen EU daran wenig geändert. "Es herrscht Überproduktion in Europa." Wie gesagt: Die Bauern können nur die Produktion steigern, wenn sie überleben wollen.

In Österreich etwa, einem ausgesprochenen Milchland, werden 8% über 100% Selbstversorgungsgrad produziert. Das führte zu einem unglaublichen Preisverfall. Die Bauern kriegen nur 26 bis 28 Cent pro Liter. Halbwegs fair und kostendeckend wären nach Ewald Grünzweil, dem Obmann der IG Milch, in der 4000 Milchbauern organisiert sind, 40 Cent. Da die Molkereien, Genossenschaften und Supermärkte nur hohnlachen, wenn sie einen solchen Preis hören, denken die Milchbauern an einen europaweiten Boykott.

Die EU-Krise durch die Ablehnung der Verfassung in Frankreich und Holland sowie um die Budgetgestaltung hat es endgültig und brutal ans Licht gebracht: Die Repräsentanten der grössten EU-Länder und die Brüsseler Gurkengeradebieger gehen Hand in Hand, wenn es darum geht, nichts gegen das Bauernsterben zu unternehmen. Im Gegenteil: Sie beschleunigen es noch.

Zu ihrem Image, dass sie sich bereichern, grössenwahnsinnig sind und sich um den Souverän, das Volk, nicht kümmern, fügen Politiker vom Schlage Brüssel nun auch hinzu, dass sie uns um unsere Lebensgrundlagen bringen wollen. Dagegen hilft nur Widerstand à la José Bové, auch im Interesse unserer Nachkommen. Bauern und Konsumenten müssen ihr Schicksal endlich selbst in die Hand nehmen.

1 Wolfgang Hingst: 10 Thesen gegen Gross-Europa. Ein Essay wider den Größenwahn. Wien 1992
2 Heike Ehlers, Carin Unterkircher: "Ich bin ein aktiver Pessimist". Gespräch mit José Bové. In: Global News 2/2005, S. 14
3 Johanna Ruzicka: "Sonst explodiert das System", in: Der Standard vom 30.6.05, Seite 19
4 zitiert nach J. Ruzicka, a.a.O.
5 J. Schrottmaier, F. Handler: Rahmenbedingungen und Situation der Landtechnik in Österreich (1.3: Agrarstruktur)
6 zitiert nach Alfred Haiger: Politik am Scheideweg. Agrarische Rundschau 5/2001, 37-40
7 Michel Poiret: Spezialisierung der Betriebe und intensivere Verfahren (Eurostat)
8 Wolfgang Hingst: Paradies oder Weltuntergang - Wir haben die Wahl. Soziale, ökonomische und ökologische
Überlebensmodelle gegen das Versagen von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Zürich 2003 9 Lebensministerium, Öffentlichkeitsarbeit, 2.12.2003
10 W. Hingst: 10 Thesen gegen Gross-Europa, S. 66
11 Der Spiegel, 50/1987
12 Fritz Vorholz: Wenige sahnen ab. "Zeit"-Gespräch mit Josef Jacobi. Die Zeit vom 26.10.1990
13 Heike Ehlers, Carin Unterkircher: a.a.O., S. 14

Quelle: Zeit-Fragen Nr.28 vom 11.7.2005


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