Donnerstag, 5. Juli 2012

"Ist Protestieren jetzt etwa Terrorismus?"

"Ist Protestieren jetzt etwa Terrorismus?"
Es sind besonders die Alten, die sensibel auf drohende Einschränkungen von Grundrechten reagieren. "Wir waren die, die erkämpft haben, dass man seine Meinung auf der Straße frei sagen kann. Aber jetzt droht alles den Bach herunterzugehen", sagt Feliu, der mit seinem Iaioflautas-T-Shirt über dem eleganten Hemd ein wenig verkleidet wirkt. "Ist Protestieren jetzt Terrorismus?" prangt auf dem Transparent, das er in die Höhe hält. Gezielt hätten die Polizei Köpfe des Jugendprotests herausgegriffen, glaubt Feliu. Unentschlosseneren solle signalisiert werden, dass es gefährlich sei zu demonstrieren. Die Entschlosseneren, sagt Feliu, "werden kriminalisiert und verächtlich gemacht".

Als Perroflautas, Taugenichtse mit Hund und Flöte, die auf den Plätzen herumlungerten, beschimpfte Esperanza Aguirre, die Präsidentin der Regionalregierung von Madrid, die Indignados. Die empörten Alten nahmen sich diesen Begriff - und wandelten ihn zu Iaioflautas, übersetzt in etwa: die Omas und Opas mit der Flöte. Allein die Präsenz der rebellischen Rentner/innen stört das Bild, das die Regierung von den Indignados verbreiten lässt. Statt angeblicher Nichtsnutze hat sie es plötzlich mit Uni-Professoren, Stahlarbeitern und Krankenschwestern zu tun, die ein Arbeitsleben hinter sich haben. Gegen ihre Akte zivilen Ungehorsams haben die Regierenden bislang kein Mittel gefunden: Die Iaioflautas lassen sich schlecht wie die Jugend nach hitzigen Protesten als Krawallmacher brandmarken. Zumal die Aktionen der Alten augenzwinkernd und wohlüberlegt sind. "Wir", erzählt Rosario Cunillera, "machen Streiche."

Überfallartig tauchen sie auf, wie an einem regnerischen Frühlingstag auf der zentralen Plaza Catalunya. Noch macht der Busfahrer nur ein erstauntes Gesicht, als Rosario, Celestino und weitere 70 Mitstreiter/innen den Bus der Linie 47 entern: Brav stempeln sie ihre Tickets. Auf dem Internet-Kurznachrichtendienst Twitter läuft parallel längst der Countdown: "Tick, tack", heißt es dort. "Lasst die Motoren warmlaufen. Sogleich folgt der nächste Streich..." Gefolgt von einem praktischen Tipp für die Alten: "Heute wird ein langer Tag. Vergesst belegte Brote und eure Medikamente nicht!"

Kaum hat sich der Bus in Bewegung gesetzt, verwandeln ihn die Iaioflautas zu einer fahrenden Litfaßsäule. Selbstgemalte Plakate in Neonfarben werden an die Scheiben geheftet, an jeder Haltestelle eilen ein paar Alte nach draußen, um Flugblätter zu verteilen. Der Busfahrer telefoniert mittlerweile hektisch. Verdutzt mischen sich neue Fahrgäste in die lebendige Menge. Doch mit ihren Gesängen gewinnen die Senior/innen im Handstreich die Sympathien der anderen Passagiere. Populär sind auch ihre Proteste gegen eine Fahrpreiserhöhung von bis zu einem Drittel. "Öffentliche Dienstleistungen, bezahlbar für alle, haben wir auf der Straße erkämpft. Jetzt ist die Zeit gekommen, sie auf der Straße zu verteidigen", wettert Adrián Risquez, der sich neben dem Chauffeur platziert hat. Jahrzehntelang saß der 77-Jährige selber auf dem Fahrersitz eines solchen Busses. Die "Entführung" war seine Idee - sie erinnert an eine Aktion vor 34 Jahren. Damals hatte der Gewerkschafter Manuel Vital den 47er schon einmal entführt. Er zwang den Chauffeur, die steile Straße in ein abgelegenes Arbeiterquartier hinaufzufahren. Die Verkehrsbetriebe hatten bis dahin immer behauptet, der Bus schaffe die Steigung nicht. Seit jenem Coup Vitals fährt der Bus auch in dieses Viertel.

Mit Aktionen wie der Bus-Besetzung geben die Iaioflautas der jungen Protestbewegung eine Geschichte - und knüpfen an soziale Errungenschaften der Gewerkschaften an: Der Iaioflauta Risquez hat die katalanische Transportgewerkschaft mitgegründet, Sánchez ist bis heute im Gewerkschaftsverband CCOO aktiv. Als altgediente Gewerkschafter bringen sie ihre Fähigkeiten zur Organisation und Mobilisierung in die Indignado-Bewegung ein. Und Durchhaltevermögen: "Wir sind viele, wir haben Zeit - und wir vergessen nicht", zitiert Sánchez ein Motto der Iaioflautas.

Ein Durchhaltevermögen, das auch das Personal des Innenministeriums mürbe macht: Celestino Sánchez bekommt nach einer Stunde Besetzung seine Audienz. Aufgeregt eilt er zum Aufzug. Alle anderen ziehen sich geordnet im Gänsemarsch nach draußen zurück. Sichtlich erschöpft sammeln sie sich im Schatten der Ministeriumsmauer - immer begleitet von Susana, die die Aktion der Alten mit einer Videokamera dokumentiert. "Die Begeisterung und der Lebensmut, mit dem sie dabei sind, rühren mich", sagt die 28-Jährige. Susana hat einen Master in "audiovisueller Kommunikation" in der Tasche, jobbt hin und wieder bei Fernsehsendern. Meist aber verdient sie ihr Geld mit Kellnern. Das Video über die Iaioflautas dreht sie, um in Übung zu bleiben. Aber auch, weil sie die Würde fasziniere, die die aktiven Alten ausstrahlten. "Sie haben erlebt, dass Solidarität sich auszahlt. Nun möchte auch ich ihnen etwas zurückgeben."

Eine Stunde später ist der informelle Iaio-Anführer Sánchez zurück. Politisch war die Unterredung im Ministerium kaum ein Erfolg: Für das einstündige Gespräch hatte letztlich doch nur ein Staatssekretär Zeit, der zudem keine der Forderungen zusagen wollte. Medial ist sie erfolgreicher: Die Iaioflautas schaffen es in fast alle Abend-Nachrichten und Zeitungen - auch dank der jungen Aktiven wie Susana, die die Nachrichten von der Besetzung auf Facebook und Twitter verbreitet haben. "Wir sind weltweit die Nummer 1 Trending Topic bei Twitter", ruft Sánchez seinen Iaioflautas zu. "Ich habe keine Ahnung, was das heißt. Aber es muss eine echt tolle Sache sein." Die Lacher und den Beifall hat er damit auf seiner Seite.

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