Wer ist Vater oder Mutter des gebärenden Kindes?Egal ob es der Realität entspricht oder auch nicht.Im Zweifelsfall bestimmt es das BGB .
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I. Mutterschaft II. Vaterschaft
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15.05.2011 – Wer Vater eines Kindes ist, ergibt sich aus § 1592 BGB. a. ... geschieden, so ist der Ehemann nicht mehr nach § 1592 Nr. 1 BGB der ..... Personensorgeberechtigte die Befugnis, den Umgang des Kindes zu bestimmen (§ 1632 ...
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Arbeitspapier Nr. 6: Abstammung und elterliche Sorge
A. Abstammung
Die Frage der Abstammung ist zunächst zu klären für das Unterhaltsrecht. Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Entscheidende Bedeutung hat die Abstammung aber auch im Erbrecht, so bei der gesetzlichen Erbfolge nach §§ 1924ff BGB.
I. Mutterschaft
Mutter eines Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind geboren hat. Maßgeblich ist also der Vorgang der Geburt, auf die genetische Abstammung oder auf die Herkunft der befruchteten Eizelle kommt es nicht an. Eine Anfechtung der Mutterschaft ist im Gesetz nicht vorgesehen und damit ausgeschlossen1.
Ist aufgrund einer in Deutschland nicht zulässigen Ei- oder Embryonenspende die Frau, die das Kind zur Welt bringt, nicht die genetische Mutter, so ist trotzdem die gebärende Frau rechtlich die Mutter des Kindes. Soll daran etwas geändert werden, so kann dies nur durch eine Adoption des Kindes erfolgen 2.
II. Vaterschaft
1. Feststellung
Wer Vater eines Kindes ist, ergibt sich aus § 1592 BGB.
a. § 1592 I Nr. 1 BGB
Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Die Eheschließung muss also vor der Geburt des Kindes erfolgt sein, ist dies der Fall, so stammt das Kind von dem Ehemann der Mutter ab. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich das Kind von einem anderen Mann gezeugt wurde.
Eine Ausnahme gilt nach § 1599 Abs. 2 BGB dann, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter die Vaterschaft für das Kind anerkennt. Wird das Kind noch in der Ehe geboren, ist aber bereits ein Scheidungsantrag anhängig, so endet die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter dann, wenn ein Dritter die Vaterschaft anerkennt. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten kann noch während der bestehenden Ehe der Mutter und längsten ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses erfolgen. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten bedarf der Zustimmung der Mutter (§§ 1599 Abs. 2 S. 2,1595 Abs. 1 BGB), ferner der Zustimmung des Mannes, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist (§ 1599 Abs. 2 S. 2 BGB). Wirksam wird die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten frühestens mit Rechtskraft
1 Staudinger/Rauscher, BGB, § 1591 Rdnr. 16; MüKoBGB/Wellenhofer, § 1598a Rdnr. 14 geht von der Möglichkeit der Klärung der genetischen Mutterschaft aus.
2 Musielak/Borth, FamFG, § 169 Rdnr. 2.
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der Scheidung der Ehe der Mutter (§ 1599 Abs. 2 S. 3 BGB), dann allerdings rückwirkend von der Geburt an. Bis dahin ist der Ehemann der Mutter der Vater des Kindes. Wurde der Ehemann der Mutter für das Kind auf Unterhalt in Anspruch genommen, so hat der Ehemann ab der Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses des Dritten (vergleiche § 1600d Abs. 4 BGB) einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den Dritten nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB.
Ist die Ehe der Mutter mit dem Ehemann vor der Geburt des Kindes rechtskräftig geschieden, so ist der Ehemann nicht mehr nach § 1592 Nr. 1 BGB der Vater des Kindes.
Wird die Ehe der Mutter durch Tod aufgelöst und wird das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemannes geboren, so ist allerdings der verstorbene Ehemann nach §§ 1593, 1592 Nr. 1 BGB der Vater des Kindes. Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings dann, wenn die Mutter des Kindes, die Witwe, vor der Geburt des Kindes erneut geheiratet hat. Dann würde das Kind ein solches des verstorbenen Ehemannes und ein solches des jetzt mit der Frau verheirateten Ehemannes sein. Für diesen Fall regelt § 1593 S. 3, dass das Kind als Kind des neuen, lebenden Ehemannes gilt. Dieser ist der Vater des Kindes. Wird allerdings die Vaterschaft angefochten und wird rechtskräftig festgestellt, dass der neue Ehemann nicht der Vater des Kindes ist, so gilt wieder der frühere Ehemann, der Verstorbene, als Vater des Kindes. Dies ergibt sich aus § 1593 S. 4 BGB.
b. § 1592 Nr. 2 BGB
Vater eines Kindes ist danach der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat.
Der Erzeuger des Kindes kann also die Vaterschaft anerkennen. Die Anerkennung der Vaterschaft ist eine einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wirkt für und gegen alle. Die Anerkennung ist öffentlich zu beurkunden (§ 1597 Abs. 1 BGB). Sie bedarf der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB), hat die Mutter insoweit nicht die elterliche Sorge, also nicht die Personensorge, so bedarf die Anerkennung zu ihrer Wirksamkeit zusätzlich noch der Zustimmung des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB). Bei fehlender Geschäftsfähigkeit ist § 1596 BGB zu berücksichtigen.
Die Anerkennung der Vaterschaft wird zurück auf die Geburt des Kindes. Der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, wird also ab der Geburt des Kindes dessen Vater. Die Rechtswirkungen können allerdings nicht vor dem Wirksamwerden der Anerkennung geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus § 1594 Abs. 1 BGB.
Eingehalten werden müssen für eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft die Formerfordernisse aus § 1597 BGB. Anerkennung und Zustimmung müssen öffentlich beurkundet werden. Darüber hinaus wird die Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht (§ 1594 Abs. 2 BGB). Es muss also erst eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft erfolgen, bevor die Anerkennung der Vaterschaft durch den Erzeuger wirksam wird. In diesem Zusammenhang ist auch § 1599 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen (siehe oben).
Der Mann kann sein Vaterschaftsanerkenntnis, also seine Erklärung, dass er Vater des Kindes ist, widerrufen, wenn sie innerhalb eines Jahres nach der Beurkundung noch nicht wirksam geworden ist (§ 1597 Abs. 3 BGB). Der Widerruf kann also erfolgen, wenn die
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Kindesmutter und im Fall des § 1595 Abs. 2 BGB das Kind nicht binnen eines Jahres der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt hat.
Beispiel: Paul hat nach der Geburt von Paulchen, geb. am 1.2.2008, am 6.2.2008 die Vaterschaft anerkannt. Paula stimmt der Anerkennung der Vaterschaft bis heute nicht zu. Paul kommen nun Zweifel, ob er tatsächlich der Vater von Paulchen ist, da ihm mittlerweile zu Ohren gekommen ist, dass Paula nicht nur mit ihm geschlechtlich verkehrt hat, sondern auch mit dem Nachbarn Franz. Hier kann Paul, weil die Anerkennung der Vaterschaft mangels Zustimmung der Paula nicht innerhalb eines Jahres wirksam geworden ist, seine Erklärung widerrufen. Der Widerruf muss beurkundet werden (§ 1597 Abs. 3 BGB).
c) §1592 Nr. 3 BGB
Vater eines Kindes ist darüber hinaus auch der Mann, dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.
aa. Feststellung nach § 1600d BGB
Wird kein Mann nach § 1592 Nr. 1 BGB bzw. § 1593 BGB (beim Tod des Mannes) als Vater des Kindes vermutet und ist auch der Erzeuger nicht freiwillig bereit, die Vaterschaft anzuerkennen, so kann die Vaterschaft nur gerichtlich geklärt werden. Dies ergibt sich aus § 1600d BGB.
Zuständig für das Verfahren ist das Familiengericht (vgl. §§ 169 ff FamFG). Ein solches Verfahren kann nur von dem Kind, der Mutter oder dem Erzeuger des Kindes eingeleitet werden. Von Amts wegen wird die Vaterschaft nicht gerichtlich festgestellt 3.
Zur Schlüssigkeit der Klage auf Feststellung der Vaterschaft eines Mannes genügt um Beispiel die Behauptung des klagenden Kindes, es stamme von dem Mann ab. Das Gericht muss dann von Amts wegen ermitteln, ob dies zutrifft, weil der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Das Gericht hört regelmäßig zunächst die Mutter an, und zwar dazu, ob sie überhaupt innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit mit dem potentiellen Vater des Kindes geschlechtlich verkehrt hat. Regelmäßig reichen die Aussagen der Kindesmutter dem Gericht zur Überzeugung nicht. Es wird daher im allgemeinen ein DNA-Gutachten oder ein Blutgruppengutachten zur Klärung der Abstammung eingeholt4. Erst dann, wenn sich unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten nicht feststellen lässt, wer der Vater des Kindes ist, kommt die gesetzliche Vermutung nach § 1600 d Abs. 2 BGB zum Tragen. Da kein Kind ohne Vater sein soll, greift dann die gesetzliche Vermutung, wonach derjenige der Vater des Kindes ist, der der Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat. Das Gericht entscheidet durch Beschluss. Wird der Beschluss rechtskräftig, so steht verbindlich fest, dass das Kind von dem im Beschluss genannten Mann abstammt, dieser also der Vater ist.
3 Staudinger/Rauscher, BGB, § 1600d Rdnr. 8.
4 Vgl. dazu Schael in Verfahrenshandbuch Farniliensachen, § 8 Rn. 58 auch zum Gang des Verfahrens nach dem FamFG
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bb. § 182 Abs. 1 FamFG
Hat der Erzeuger eines Kindes die Vaterschaft eines anderen Mannes, die nach § 1592 BGB bestand, nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfolgreich angefochten, so wird in dem Beschluss, der das Verfahren abschließt, festgestellt, dass der anfechtende Erzeuger der Vater des Kindes ist (§ 182 FamFG).
2. Anfechtung
a. Gegenstand der Anfechtung
Anfechtbar ist die Vaterschaft, die aufgrund einer Ehe mit der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB bzw. § 1593 S. 1 BGB besteht. Anfechtbar ist auch die Vaterschaft aufgrund Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB. Ist die Vaterschaft durch ein Gericht festgestellt worden (§ 1592 Nr. 3 BGB) so kann gegen diesen Beschluss nicht mit einer Anfechtung der Vaterschaft vorgegangen werden, weil eine Abänderung ausgeschlossen ist (§ 184 FamFG). Es besteht nur die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 578ff ZPO, 185 FamFG 5.
b. Anfechtungsberechtigte
Anfechtungsberechtigt sind nur die in § 1600 Abs. 1 BGB genannten Personen, also der Mann, der als Vater gilt, der Mann, der meint, der Erzeuger des Kindes zu sein, die Mutter des Kindes, das Kind selbst sowie die zuständige Behörde in den Fällen des Vaterschaftsanerkenntnisses nach § 1592 Nr. 2 BGB.
- Anfechtung des Mannes, der meint, der Erzeuger des Kindes zu sein
Die erfolgreiche Anfechtung des Mannes, der meint, der Erzeuger des Kindes zu sein (Berechtigter nach § 1600 I Nr. 2 BGB), setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem (rechtlichen) Vater (iSd §§ 1592 Nr. 1, 1592 Nr. 2, 1593 BGB) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den Anfechtungantrag6 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes des rechtlichen Vaters bestanden hat. Ferner ist Voraussetzung, dass der Anfechtende tatsächlich der leibliche Vater des Kindes ist. 7 Hat der leibliche Vater das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht widerlegen können, so führt dies zur Unbegründetheit des Anfechtungsantrags nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB. 8
- Anfechtung des Mannes, der meint, nicht der Erzeuger des Kindes zu sein
Die schlichte Behauptung, nicht leiblicher Vater des Kindes zu sein, reicht nicht aus. Vielmehr muss der anfechtende rechtliche Vater (§ 1600 I Nr. 1 BGB) Umstände vortragen, die objektiv geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von ihm zu wecken. 9 Dies ist erforderlich, um das betroffene Kind vor Klagen ins Blaue hinein zu bewahren. 10 Andererseits dürfen aber die Anforderungen an die Darlegungslast des rechtlichen Vaters auch nicht zu hoch angesetzt werden, damit er überhaupt eine Chance hat, ein
5 Vgl. zu den Einzelheiten Verfahrenshandbuch Familiensachen § 8 Rdnr. 76.
6 Staudinger/Rauscher § 1600 Rn 41.
7 BGHZ 170, 161, 171 = FamRZ 2007, 541 unter II 4 b bb
8 BGHZ 170, 161, 166 = FamRZ 2007, 538, 539
9 Vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1998 - XII ZR 229/ 96 -, NJW 1998, S. 2976 [2977]; Urteil vom 30. Oktober 2002 - XII ZR 345/ 00 -, NJW 2003, S. 585 [585].
10 Vgl. BGH, NJW 1998, S. 2976 [2977].
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Anfechtungsverfahren zu führen. Der rechtliche Vater muss Umstände vortragen 11, die es nicht ganz fernliegend erscheinen lassen, dass nicht er sondern ein anderer Mann der biologische Vater des Kindes ist. Ein heimlich eingeholter Vaterschaftstest ist kein taugliches Beweismittel und darf nicht verwertet werden, auch dann nicht, wenn danach 100%-ig feststeht, dass der Anfechtende nicht der Erzeuger des Kindes ist. 12 Es besteht aber jetzt seit dem 01.04.2008 nach § 1598 a Abs. 1 BGB die Möglichkeit der Klärung. § 1598a BGB gewährt einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung. Nach § 1598 a Abs. 1 BGB hat das Familiengericht eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen, wenn dies beantragt wird. Anspruchsberechtigt ist der rechtliche Vater, also der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet war, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB), die Mutter und das Kind (§ 1598 a I BGB). Der Erzeuger ist nicht anspruchsberechtigt.
- Anfechtung durch die Behörde
Voraussetzung für das Anfechtungsrecht der Behörde ist, dass zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht beziehungsweise im Zeitpunkt der Anerkennung der Vaterschaft oder des Todes bestanden hat. Ferner ist Voraussetzung, dass durch die Anerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise nach Deutschland oder für den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils in Deutschland geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).
c. Anfechtungsfrist
Die Anfechtung der Vaterschaft kann nur innerhalb der Frist von 2 Jahren nach § 1600b BGB erfolgen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen13. Ein Kind kann ab Eintritt der Volljährigkeit selbst die Vaterschaft noch anfechten. Die Frist beginnt in diesem Fall nicht vor Eintritt der Volljährigkeit zu laufen (§ 1600b Abs. 3 BGB). Durch die Neufassung von § 1600b Abs. 5 S. 1 BGB ist gewährleistet, dass während des Laufs des Verfahrens nach § 1598a BGB die Anfechtungsfrist gehemmt ist 14.
Will die Behörde die Vaterschaft anfechten, so beträgt die Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 2 BGB nur 1 Jahr. Wurde das Kind in der Bundesrepublik geboren, so kann die Vaterschaft durch die Behörde dann nicht mehr angefochten werden, wenn seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft 5 Jahre verstrichen sind. Ist das Kind nach Deutschland eingereist, also im Ausland geboren worden, so ist die Behördenanfechtung dann ausgeschlossen, wenn seit der Einreise des Kindes nach Deutschland 5 Jahre verstrichen sind (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB).
III. Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Benennung des Vaters
Grundsätzlich besteht ein Anspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Auskunft darüber, wer der Vater ist. Dieser Auskunftsanspruch wird aus § 1618a BGB, § 242 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 5 GG oder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet, insoweit
11 Vgl. BGH, NJW 1998, S. 2976 [2977].
12 Vgl. BVerfG, 13.02.2007 - 1 BvR 421/05 unter B III.
13 Vgl. dazu auch BVerfG, NJW 2007, 753ff.
14 MüKo-Wellenhofer, § 1598a Rdnr. 12.
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wird alles vertreten. Dem Auskunftsanspruch des Kindes steht die eventuell insoweit schützenswerte Intimsphäre der Kindesmutter entgegen, hier muss eine Abwägung der Interessen vorgenommen werden. Die Gerichte haben hier einen weiten Spielraum bei der Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen des Kindes auf Kenntnis des Vaters und dem Schutz der Intimsphäre der Mutter.15 Hat ein Kind beispielsweise ganz erhebliche psychische Probleme deshalb, weil es seinen leiblichen Vater nicht kennt und wird es insoweit bereits ärztlich behandelt, wird regelmäßig ein Anspruch auf Auskunft bestehen.16
IV. Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a BGB
Früher konnte der rechtliche Vater bei Zweifeln an seiner Vaterschaft ein Abstammungsgutachten, das als Beweismittel geeignet war, nur dann erstellen lassen, wenn Mutter und Kind einverstanden waren. Dies hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet.17 Der Gesetzgeber hat nunmehr durch § 1598 a BGB die Möglichkeit eröffnet, die Abstammung des Kindes zu klären. Willigt einer der anderen Familienangehörigen nicht ein, so hat der Klärungsberichtigte jetzt die Möglichkeit, die fehlende Einwilligung durch das Familiengericht ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme durch das Familiengericht anordnen zu lassen (§ 1598a Abs. 2 BGB).
V. Rechtliche Stellung des Scheinvaters
1. Unterhalt
Der Unterhaltsanspruch des Kindes geht nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB dann, wenn der Scheinvater Unterhalt gezahlt hat, auf diesen über.
Beispiel:
S ist mit M verheiratet. Er hat seit der Geburt des Kindes Karl für dieses Kind Unterhalt erbracht. Jetzt wird durch einen Beschluss des Familiengerichts rechtskräftig festgestellt, dass S nicht der Vater des Kindes ist. Es wird ferner rechtskräftig festgestellt, dass der V der Vater des Kindes ist. S verlangt nunmehr von V Ersatz des Unterhalts. Zu Recht?
Nach § 1607 Abs. 3 S. 2 geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater auf den Scheinvater über, wenn dieser als Dritter Unterhalt gewährt hat. Nach der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des V kann dieser den V in Anspruch nehmen.
Möglich ist die Durchsetzung des Anspruchs erst, wenn feststeht, wer der leibliche Vater ist. Deshalb kann der Scheinvater, der Unterhalt geleistet hat, grundsätzlich erst dann Rückgriff
gegenüber dem leiblichen Vater nehmen, wenn dessen Vaterschaft mit Wirkung für und gegen alle rechtskräftig festgestellt ist (§ 1600d Abs. 4 BGB). Im Rahmen des Unterhaltsverfahrens, das der Scheinvater gegen den leiblichen Vater führt, findet auch
15 BVerfG, FamRZ 1997, 869.
16 LG Bremen, NJW 1999, 729;
17 BVerfG NJW 2007, 753.
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inzident keine Abstammungsprüfung statt. Der Scheinvater hat auch keine Möglichkeit, ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren einzuleiten, mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass ein anderer Mann, nämlich der tatsächliche Erzeuger, Vater des Kindes ist.18
Die Rechtsprechung durchbricht im Ausnahmefall die Rechtsausübungssperre und lässt im Unterhaltsverfahren die Indizfeststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters zu. Ist in einem Abstammungsgutachten im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren festgestellt worden, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der V der Vater des Kindes ist und hat sich darüber hinaus V auch in der Öffentlichkeit, beispielsweise gegenüber dem Jugendamt, damit gerühmt, der Vater des Kindes zu sein, so kann er sich im Regressprozess nicht darauf berufen, seine Vaterschaft sei nicht rechtskräftig festgestellt.19
2. Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Bekanntgabe des Namens des Erzeugers des Kindes
Ein solcher Anspruch kann sich aus § 242 BGB ergeben. Er besteht allerdings keinesfalls, solange der "Scheinvater" noch rechtlich der Vater des Kindes ist. In dem entschiedenen Fall hatte der "Scheinvater" die Abstammung nach § 1598a BGB klären lassen. Danach stand fest, dass er biologisch nicht der Vater des Kindes war. Ein Anfechtungsverfahren hatte er allerdings nicht eingeleitet. Da er noch rechtlich der Vater des Kindes war, hier nach § 1592 Nr. 1 BGB, stand ihm ein Auskunftsanspruch schon deshalb nicht zu. 20 Regelmäßig wird man zusätzlich noch verlangen müssen, dass der Scheinvater überhaupt seinen Regressanspruch durchsetzen kann, dass also im Rahmen eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens oder durch Vaterschaftsanerkennung feststeht, dass der Erzeuger auch rechtlich der Vater des Kindes ist.
B. Elterliche Sorge
Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. So wird die elterliche Sorge im Gesetz definiert. Sie haben für die Person des Kindes zu sorgen (Personensorge) und auch für das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
1. Wer hat die elterliche Sorge?
In § 1626 BGB geht das Gesetz davon aus, dass die Eltern eines Kindes bei dessen Geburt auch miteinander verheiratet sind. Miteinander verheiratete Eltern haben für ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder die elterliche Sorge im oben genannten Umfang. Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen gemeinsam die elterliche Sorge für ihr Kind zu, wenn sie entweder heiraten (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB), wobei zum Zeitpunkt der Eheschließung der biologischen Eltern des Kindes die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter feststehen muss 21 oder aber eine sogenannte Sorgeerklärung abgeben (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Heiraten die Eltern des Kindes nicht
18 MüKo ZPO, § 169 FamFG Rdnr. 27.
19 BGH, NJW 2008, 2433; LG Halle FamRZ 1999, 1295.
20 OLG Jena, NJW-RR 2011, 294.
21 Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, § 1626a Rn. 8.
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und wird auch keine Sorgeerklärung abgegeben, so steht die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind ausschließlich der Kindesmutter zu (§ 1626a Abs. 2 BGB). Dies gilt auch dann, wenn bei der Eheschließung die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter nicht festgestellt ist. Hat der Ehemann der Mutter vor der Eheschließung die Vaterschaft für das Kind weder anerkannt und ist die Vaterschaft auch nicht gerichtlich festgestellt worden, so ändert die Eheschließung der biologischen Eltern an der alleinigen elterlichen Sorge der Kindesmutter nichts 22.
Das Familiengericht kann der Kindesmutter nach §§ 1666, 1666a, 1667 BGB die elterliche Sorge entziehen. Ist dies erfolgt, so kann das Gericht nach § 1680 III BGB, in Verbindung mit § 1680 II 2 BGB dem Vater die elterliche Sorge übertragen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so kann der Vater des Kindes nach dem Wortlaut des Gesetzes gegen den Willen der Mutter eine Teilhabe an der elterlichen Sorge nicht erlangen. Mit Zustimmung der Mutter konnte auch dem Vater bisher nach § 1672 I BGB die elterliche Sorge übertragen werden, wenn die Übertragung dem Kindeswohl diente. Gegen den Willen der Mutter war dies nur dann möglich, wenn der Mutter wegen Gefährdung des Kindeswohls die elterliche Sorge entzogen wurde (§§ 1680 III, II 2,16 166 BGB), die elterliche Sorge dauerhaft ruhte (1678 II BGB) oder wenn die Kindesmutter verstorben war (§§ 1680 II 2, 1681 BGB). Der Vater eines nichtehelichen Kindes war, von den vorgenannten Ausnahmefällen abgesehen, vom Zugang zur elterlichen Sorge bei fehlender Zustimmung der Mutter ausgeschlossen. Er konnte nicht gerichtlich überprüfen lassen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn dem Kindeswohl besser diente oder ob es dem Kindeswohl dienlich war, wenn die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübten. Dies sah das Gesetz nicht vor. Selbst dann, wenn eine Abwägung der Umstände im Einzelfall zu dem Ergebnis führte, dass die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind dem Kindeswohl diente, war die Erklärung der Mutter nicht gerichtlich ersetzbar bzw. die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegen den Willen der Mutter möglich. Das BVerfG23 hielt dies im Jahre 2003 noch für verfassungsgemäß. Es hat ausgeführt, dass die den Eltern durch § 1626a I BGB gegebene Möglichkeit, rechtlich gemeinsam für ihr Kind Sorge zu tragen, einen Konsens der Eltern über die gemeinsame elterliche Sorge voraussetze. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber damit dem Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes unter dem Gesichtspunkt von Artikel 6 Abs. 2 GG nicht ausreichend Rechnung getragen habe. Dies vor dem Gesichtspunkt, dass regelmäßig eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind gegen den Willen der Mutter mehr Nachteile als Vorteile für das Kind bringe. § 1626a BGB sei daher mit dem Grundgesetz vereinbar und nicht verfassungswidrig.
Der EuGHMR 24 hat diese Entscheidung des BVerfG überprüft. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es gegen Artikel 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) iVm Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) verstößt, wenn einem nichtehelichen Vater nicht die Möglichkeit gegeben wird, eine gerichtliche Überprüfung der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter zu erreichen. Der EuGHMR teilte die Einschätzung des BVerfG nicht, wonach die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegen den Willen der Kindesmutter
22 Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, § 1626a Rn. 8, 2.
23 BVerfG FamRZ 2003, 285.
24 EuGHMR FamRZ 2010, 103.
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grundsätzlich dem Kindeswohl widerspricht. Er führt weiter aus, dass zwar Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge auf ein Kind verstörend werden könnten, dass aber das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der elterlichen Sorge bei verheirateten Eltern beziehungsweise Eltern, die eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben, vorsieht. Es sei kein Grund ersichtlich, warum dann, wenn sich eine Mutter weigere, eine Sorgerechterklärung abzugeben, eine solche gerichtliche Überprüfung nicht stattfinden solle.
Das BVerfG 25 hat im Juli 2010 die § 1626a I Nr. 1 BGB und § 1672 I BGB für mit Art. 6 II Grundgesetz unvereinbar erklärt. Es erfolge ein schwerwiegenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters, das verfassungsrechtlich in Art. 6 II Grundgesetz geschützt ist. Dieser Eingriff sei unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt. Normen, die verfassungswidrig sind, sind grundsätzlich für nichtig zu erklären. Dies ergibt sich aus § 95 III 1, 2 BVerfGG. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn durch die Nichtigkeit ein Zustand geschaffen würde, der von der verfassungsgemäßen Ordnung noch weiter entfernt ist, als der, der bislang mit den verfassungswidrigen Normen besteht. Dies hat das BVerfG hier angenommen. Würden die §§ 1626a I Nr. 1, 1672 I BGB für nichtig erklärt, so würde dies dazu führen, dass selbst dann, wenn die Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater wünschten und wollten, dies nicht mehr möglich wäre. Auch eine Unanwendbarkeit der Norm kommt nicht in Betracht, weil auch dies den verfassungswidrigen Zustand vertiefen würde26. Das BVerfG hat ausgeführt, man könne auch die verfassungswidrigen Normen hier auch nicht bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiterhin für anwendbar erklären. Dem stehe zum einen entgegen, dass letztlich nicht beurteilt werden könne, wann der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffe. Gerade in kindschaftsrechtlichen Angelegenheiten spiele der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle. Durch fortschreitendem Zeitablauf könne sich hier gegebenenfalls eine bestehende Situation so verfestigen, dass dann später tatsächlich die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge oder die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nicht mehr dem Kindeswohl entspreche. Darüber hinaus hätten die Familiengerichte dann mit § 1626a I Nr. 1 BGB eine Vorschrift anzuwenden, die nicht nur dem Grundgesetz widersprechen sondern auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für unvereinbar mit Art. 8 EMRK erklärt wurde 27. Das BVerfG hat jetzt, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, ein Regelungskonzept angeordnet, das sich daran orientiert, dass Eltern von nichtehelichen Kindern durch Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung die gemeinsame elterliche Sorge für ihr Kind begründen können. Es hat vorläufig angeordnet, dass die Familiengerichte den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam übertragen soll, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Der Prüfungsmaßstab ist das Kindeswohl. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Belange des Kindes maßgebliche Berücksichtigung finden, die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge allerdings auch nicht zu hoch angesetzt werden 28.
25 BVerfG NJW 2010, 3008 ff [71].
26 BVerfG NJW 2010, 3008 [72].
27 EGMR, NJW 2010, 501 [64].
28 BVerfG, NJW 2010, 3008 [75].
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2. Wie wird eine Sorgeerklärung abgegeben?
Wie die Sorgeerklärung abzugeben ist, regelt das Gesetz in den §§ 1626b bis 1626e BGB. Eine Sorgeerklärung unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung ist unwirksam. Es kann also keine Sorgeerklärung für ein Kind abgegeben werden, etwa für den Zeitraum, in dem die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit der Kindesmutter besteht oder unter der Bedingung, dass sich der Kindesvater auch um das Kind kümmert. 29 Die Sorgeerklärung kann schon vor der Geburt des Kindes abgegeben werden, dann steht sie allerdings schon nach dem Gesetz unter der Bedingung, dass das Kind lebend zur Welt kommt (§ 1626b Abs. 2 BGB). Die Sorgeerklärung muss von den Eltern persönlich abgegeben werden. Ist ein Elternteil beschränkt geschäftsfähig, so ist seine Erklärung nur dann wirksam, wenn der gesetzliche Vertreter zugestimmt hat (§ 1626 c BGB). Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so hat das Familiengericht die Zustimmung zu ersetzen, wenn die Sorgeerklärung dem Wohl des beschränkt geschäftsfähigen Elternteils nicht widerspricht.
Voraussetzung für die Abgabe einer wirksamen Sorgeerklärung durch den Mann ist ferner, dass die Vaterschaft des Mannes im Rechtssinne feststeht. Er muss die Vaterschaft entweder anerkannt haben oder die Vaterschaft muss gerichtlich festgestellt sein (§ 1592 Nr. 2, 3 BGB).
Eine Sorgeerklärung kann nicht mehr wirksam abgegeben werden, wenn das Gericht schon über die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind nach §§ 1671 , 1672 BGB entschieden hat oder wenn eine Entscheidung nach diesen Vorschriften gemäß § 1696 BGB geändert wurde. Hatten die Eltern des minderjährigen nichtehelichen Kindes eine Sorgeerklärung für ihr Kind abgegeben und trennen sie sich, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm die elterliche Sorge ganz oder zum Teil allein übertragen wird (§ 1671 I BGB).
Schließlich hat das Gericht nach 1696 BGB die Möglichkeit, eine einmal getroffene Regelung zur elterlichen Sorge abzuändern, wenn dies aus triftigen Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1696 BGB). Ist eine solche gerichtliche Entscheidung zur elterlichen Sorge erfolgt, so kann eine wirksame Sorgeerklärung nicht mehr abgegeben werden (§ 1626b Abs. 3 BGB).
Ist einem Elternteil die elterliche Sorge allein übertragen worden, so kann nach § 1696 BGB beantragt werden, den Eltern wieder die gemeinsame elterliche Sorge zu übertragen, wobei dies nur erfolgt, wenn die strengen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 1696 Abs. 1 BGB vorliegen. 30 Ist dem Vater eines nichtehelichen Kindes nach § 1672 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge allein übertragen worden, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils und mit Zustimmung des anderen beiden Elternteilen die gemeinsame elterliche Sorge wieder einräumen (§ 1672 Abs. 2 BGB). Dies geht nur dann, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. 31
29 Bamberger/Roth-Veit, 1626b Rn 3.
30 Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 25.5.2005 – XII ZB 28/05-.
31 Vgl. dazu auch MünchKomm-Huber, § 1626b Rn 21-23.
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3. Welchen Umfang hat die elterliche Sorge?
Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge und die Vermögenssorge.
a) Personensorge
Die Personensorge ist gekennzeichnet durch das Recht und die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung der Kinder, einschließlich der Bestimmung der Religion und der Berufsausbildung. Umfasst wird auch die Beaufsichtigung der Kinder sowie die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1631ff BGB). Die Personensorge umfasst nach § 1632 BGB ferner das Recht, die Herausgabe des Kindes von demjenigen zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält. Darüber hinaus hat der Personensorgeberechtigte die Befugnis, den Umgang des Kindes zu bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB).
b) Vermögenssorge
Die Vermögenssorge erstreckt sich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die der Erhaltung, Vermehrung und Verwertung des Kindesvermögens dienen (vgl. §§ 1638ff BGB). Hat das Kind Vermögen geerbt oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bekommen, so kann die Verwaltung dieses Vermögens den Eltern ganz oder teilweise entzogen sein. Voraussetzung dafür ist, dass der Zuwendende dies entweder in seinem Testament festhält oder dies in den Übertragungsvertrag mit dem Kind aufgenommen wird (§§ 1638, 1639 BGB).
c) Vertretungsmacht der Eltern, Prozessstandschaft
Nach § 1629 BGB umfasst die elterliche Sorge auch die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinsam. Ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB die Abgabe der Willenserklärung gegenüber einem Elternteil. Die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern ist jedoch nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt. So können die Eltern das Kind insoweit nicht vertreten, wie auch ein Vormund das Kind nicht vertreten könnte (Verweis auf § 1795 BGB). Danach kann beispielsweise die Mutter das Kind nicht vertreten im Rahmen eines Rechtsgeschäfts mit dem Vater, daher kann grundsätzlich auch kein Rechtsstreit des Kindes vertreten durch die Mutter gegen den Vater geführt werden. Für Unterhaltsangelegenheiten gilt dies allerdings nicht. Aus § 1629 Abs. 2 S. 2 ergibt sich, dass trotz bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, die Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend machen kann. Während der Zeit des Getrenntlebens verheirateter Eltern kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, diesen Unterhaltsanspruch sogar nur im eigenen Namen geltend machen (§ 1629 Abs. 3 S. l BGB). Es handelt sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft. Der Begriff der Obhut stellt dabei auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und hat das Kind seinen Lebensmittelpunkt z.B. bei der Mutter, so hat die Mutter die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB. 32
32 BGH, Urteil vom 28. 2. 2007 - XII ZR 161/ 04.
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d) Beschränkungen der elterlichen Sorge
Das Gesetz selbst regelt bestimmte Beschränkungen der elterlichen Sorge. So haben Kinder nach § 1631 Abs. 2 BGB ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und anderer entwürdigende Maßnahmen (z.B. Nacktausziehen, Nichtansprechen über längere Zeit) sind unzulässig. Halten sich die Eltern daran nicht, so steht dem Kind allerdings kein Unterlassungsanspruch zu. Dies ergibt sich daraus, dass § 1666 BGB für die Fälle der missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge eine abschließende Sonderregelung trifft.33 Das Kind kann allerdings Schadensersatzansprüche gegen die Eltern geltend machen nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 1631 Abs. 2 BGB, evt. 223 StGB. Ist durch das Handeln der Eltern ein Straftatbestand erfüllt, kommt auch eine Strafverfolgung der Eltern in Betracht . 34
Die Eltern haben bei der Ausbildung des Kindes und bei der Wahl des Berufes auf die Eignung und Neigung des Kindes Rücksicht zu nehmen. Sie sollen bei Lehrern oder anderen geeigneten Personen Rat einholen, sofern Zweifel bestehen (§ 1631a BGB). Halten sich die Eltern daran nicht, so kann dann, wenn die fehlende Berücksichtigung der Eignung und Neigung des Kindes die Grenze zur missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge überschreitet, eine gerichtliche Maßnahme nach § 1666 BGB getroffen werden. Haben die Eltern das Kind in eine Ausbildung gedrängt, die nicht seinen Neigungen und seiner Eignung entspricht, so haben die Eltern ihre Pflicht zur Finanzierung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (§ 1610 Abs. 2 BGB) nicht erfüllt . Sie müssen dann auch die Kosten einer weiteren Ausbildung des Kindes tragen.35
Eltern können nicht in die Sterilisation ihres minderjährigen Kindes einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht einwilligen. Es kann für das Kind auch kein Pfleger für die Einwilligung in eine Sterilisation bestellt werden. Eine Sterilisation eines minderjährigen Kindes ist verboten (§ 1631c BGB).
Ist ein minderjähriges Kind verheiratet oder war es verheiratet, so beschränkt sich die Personensorge auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten. Die tatsächliche Personensorge im Sinne von § 1631 Abs. 1,1632 BGB geht unter. Diese geht insbesondere nicht auf den volljährigen Ehegatten über. Die Vermögenssorge bleibt in vollem Umfang bestehen. Endet die Ehe vor Eintritt der Volljährigkeit, so verbleibt es bei der nur noch eingeschränkten Personensorge. Die tatsächliche Personensorge lebt nicht wieder auf.
Im Bereich der Vermögenssorge unterliegen die Eltern der Beschränkung, dass sie aus dem Vermögen des Kindes in Vertretung des Kindes bis auf Pflicht- und Anstandsschenkungen keine Schenkungen machen können (§ 1641 BGB). Eltern haben das Geld ihres Kindes nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit das Geld nicht zum Bestreiten von Ausgaben benötigt wird (§ 1642 BGB). Die Eltern haben die Einkünfte aus dem Kindesvermögen für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Entspricht es unter Berücksichtigung der Vermögens- und Erwerbsverhältnissen der Billigkeit, so können Einkünfte aus dem Vermögen des Kindes auch für den Unterhalt der Eltern und den Unterhalt der minderjährigen unverheirateten Geschwister des Kindes verwendet werden (§ 1649 BGB).
33 MüKoBGB/Huber § 1631 Rn 32, 33.
34 Bamberger/Roth/Veit, BGB, 1631 Rn 25.
35 BGH NJW-RR 2000, 593, 594.
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e) Genehmigung des Familiengerichts
Verschiedene von den Eltern zu treffende Maßnahmen sind nur dann wirksam, wenn sie vom Familiengericht genehmigt werden. So können Eltern beispielsweise ihr Kind nur mit Genehmigung des Familiengerichts unterbringen (§ 1631b BGB). Nur bei Gefahr im Verzug kann zunächst die Unterbringung erfolgen, die familiengerichtliche Genehmigung ist dann allerdings unverzüglich nachzuholen (§ 1631b S. 2 BGB).
Im Bereich der Vermögenssorge benötigen die Eltern für bestimmte, für das Kind besonders bedeutsame Geschäfte, nach § 1643 BGB die Genehmigung des Familiengerichts. Zum einen dürfen die Eltern grundsätzlich eine Erbschaft oder ein Vermächtnis nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts ausschlagen, ferner dürfen sie nicht auf einen Pflichtteil ohne Genehmigung des Familiengerichts verzichten. Darüber hinaus können die Eltern Grundstücksgeschäfte, für die ein Vormund nach § 1821 BGB eine Genehmigung des Gerichts benötigt, nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts abschließen. Ferner können die Eltern Geschäfte nach § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts abschließen. Schließen die Eltern ein Geschäft ohne die erforderliche Genehmigung ab, so ist dieses Geschäft zunächst schwebend unwirksam. Es wird endgültig wirksam, wenn die familiengerichtliche Genehmigung erteilt wird. Wird die Genehmigung verweigert, so wird das Geschäft unwirksam (§§ 1829 BGB, 1643 Abs. 3 BGB). Einseitige Rechtsgeschäfte, die ohne die erforderliche Genehmigung des Familiengerichts abgeschlossen wurden, sind unwirksam (§§ 1831, 1643 Abs. 3 BGB).
3. Wird die elterliche Sorge durch die Trennung der Eltern berührt?
Die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder steht den Eltern auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam zu. Dies ergibt sich aus § 1671 Abs. 1 BGB.
In § 1687 BGB ist allerdings geregelt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern nur dazu führt, dass Regelungen von erheblicher Bedeutung für das Kind im Einvernehmen beider Elternteile getroffen werden müssen. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens kann der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, allein treffen. Entscheidungen des täglichen Lebens sind nach § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Allein entscheiden kann der betreuende Elternteil zum Beispiel über die Anmeldungen zum Nachhilfeunterricht, die Bestimmung der Schlafenszeit, die Gestaltung des Fernsehkonsums, die Regelung des Besuchs von Badeanstalten und Diskotheken, den Umgang mit Freunden, die gewöhnliche medizinische Versorgung. Im Bereich der Vermögenssorge kann der Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, bestimmen, wie viel Taschengeld das Kind bekommt, er kann kleinere Geldgeschenke allein verwalten. Eine Abstimmung mit dem anderen Elternteil muss jedoch bei wesentlichen Entscheidungen erfolgen, so beispielsweise, wenn das Kind, das bis zur Trennung in die Kindertagesstätte oder den Kindergarten gegangen ist, dort abgemeldet werden soll. Auch die Auswahl der Schule oder einer Ausbildungsstätte ist von den Eltern gemeinsam vorzunehmen. Operationen oder sonstige gravierende medizinische Behandlungen, auch
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Impfungen, 36 sind abzustimmen, es sei denn, es liegt ein Notfall vor. Abzustimmen sind auch Reisen zumindest mit einem kleineren Kind in einen fremden Kulturkreis.
Im Bereich der Vermögenssorge sind alle Geschäfte, die nach § 1643 BGB vom Familiengericht genehmigt werden müssen, mit dem anderen Elternteil abzustimmen.
Die Eltern haben nach § 1627 BGB die Pflicht, die elterliche Sorge im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen (§ 1627 S. 2 BGB). Gelingt dies nicht, so kann jeder Elternteil beim Gericht einen Antrag stellen, dass ihm in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten die elterliche Sorge allein übertragen wird (§ 1628 BGB). Können sich die Eltern zum Beispiel nicht darauf verständigen, ob das Kind eine „normale" staatliche Schule oder zum Beispiel eine Waldorfschule besuchen soll, so kann auf Antrag einem Elternteil das Recht übertragen werden, die Schulangelegenheiten für das Kind zu regeln.
4. Kann die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden?
Leben die Eltern, denen die elterliche Sorge für ihr minderjähriges Kind gemeinsam zusteht, dauerhaft getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm die elterliche Sorge ganz oder zum Teil allein übertragen wird. Dieses Recht steht jedem Elternteil nach § 1671 Abs. 1 BGB nach der Trennung zu. Eltern, die nicht dauerhaft getrennt leben, können sich nur auf § 1628 BGB stützen, wenn sie sich nicht einigen können.
Dem Antrag ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt und das über 14 Jahre alte Kind nicht widerspricht. Stimmt zwar der andere Elternteil zu, ist allerdings das Kind selbst schon 14 Jahre alt und ist dieses nicht mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil einverstanden, so liegen die Voraussetzungen für die Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vor. Das Gericht muss dann prüfen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Kindeswohl entspricht. Es ist also nicht so, dass das 14 Jahre alte Kind ein "Vetorecht" hat. Kommt das Gericht im Rahmen der Prüfung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht, so übertragt das Gericht die elterliche Sorge auch gegen den Willen des Kindes dem anderen Elternteil. 37
Stimmt der andere Elternteil dem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge von ihm auf den anderen nicht zu, so muss das Gericht nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB prüfen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Da die gemeinsame elterliche Sorge jetzt der gesetzliche Regelfall ist, kommt eine Übertragung der elterlichen Sorge ganz oder teilweise auf einen Elternteil nur dann in Betracht, wenn das Gericht die Überzeugung gewinnt, dass die Aufhebung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Es besteht aber keine gesetzliche
36 KG FamRZ 2006, 142.
37 Palandt/Diederichsen, BGB, § 1671 Rdnr.15.
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Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist. 38 Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. 39
5. Was ist im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung zu berücksichtigen?
a) wirklicher Wille des Kindes
Häufig kann das Gericht gar nicht aus eigener Sachkompetenz entscheiden, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Eingeschaltet wird dann ein Verfahrenspfleger, der sich mit dem Kind und auch den Eltern unterhält, um die Wünsche und den Willen des Kindes zu ergründen. Reicht dem Gericht das, was der Verfahrenspfleger ermittelt hat, für eine Entscheidung nicht, so schaltet das Gericht einen Psychologen als gerichtlichen Sachverständigen ein, der durch Gespräche und Tests mit den Kindern und den Eltern herausfindet, was dem Kindeswohl am besten entspricht. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Entscheidung des Gerichts u.a. der wirkliche Wille des Kindes. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieser häufig schwer zu ermitteln ist, da Kinder regelmäßig dazu neigen, jedem Elternteil die Antwort zu geben, bei der das Kind davon ausgeht, dass der Elternteil diese hören will. Darüber hinaus sind gerade kleinere Kinder leicht beeinflussbar. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen gerichtlicher Entscheidungen häufig dem geäußerten Willen zumindest kleinerer Kinder nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen.
b) Geschwisterbindung
Zu prüfen ist bei der Entscheidung die Bindung des Kindes an Mutter und Vater aber auch an eventuell im Haushalt des einen oder des anderen Elternteils lebende Geschwister. Die Geschwisterbindung ist häufig ein entscheidendes Kriterium. Verstehen sich die Kinder untereinander gut, so wird regelmäßig im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung dafür gesorgt, dass die Kinder zusammenleben können. Eine Trennung der Kinder kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn sich die Geschwister nicht verstehen.
c) Erziehungsfähigkeit/ Bindungstoleranz
Ein entscheidendes Kriterium ist die Erziehungsfähigkeit der Eltern. Ist ein Elternteil weniger erziehungsfähig als der andere, so wird regelmäßig dem, der hier größere Fähigkeiten aufweist, die elterliche Sorge zugesprochen. In der Praxis wird vielfach darauf abgestellt, ob der Elternteil bereit und in der Lage ist, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen und zu fördern. Sträubt sich zum Beispiel die Mutter dagegen, dass das in ihrem Haushalt lebende Kind regelmäßig Umgang zu dem Vater hat, so spricht dies gegen ihre Bindungstoleranz und ihre Erziehungsfähigkeit. Sprechen nicht gravierende Gründe dafür, ihr die elterliche Sorge zu belassen, so spricht einiges dafür, dass der Mutter
38 BGH vom 29. September 1999 - XII ZB 3/ 99 - FamRZ 1999, 1646, 1647 und vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/ 04 - FamRZ 2005, 1167; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 354, 355)
39 BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016.
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zumindest bei einer dauerhaften Verweigerung des Umgangs die elterliche Sorge entzogen wird.
d) Grundsatz der Kontinuität
Schließlich kommt dem Grundsatz der Kontinuität eine erhebliche Bedeutung zu. Dies bedeutet, dass dem Kind nach Möglichkeit die bislang vertraute Umgebung auch nach der Trennung der Eltern einschließlich der Bezugspersonen, wie z.B. den Großeltern, Lehrer, Erzieher, erhalten bleiben soll.
6. Kann das Gericht die elterliche Sorge von sich aus entziehen?
Entscheidungen des Familiengerichts nach §§ 1671,1672 BGB setzen einen Antrag eines Elternteils voraus. Nur dann, wenn ein Elternteil das Gericht anruft, kommt es zu einem Verfahren. In besonders gelagerten Fällen, nämlich dann, wenn das Kindeswohl erheblich gefährdet ist, hat das Familiengericht nach § 1666 BGB die Möglichkeit, von Amts wegen, also ohne Antrag eines Elternteils, tätig zu werden.
§ 1666 BGB lautet:
Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere 1.Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, 2.Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, 3.Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 4.Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, 5.die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 6.die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
Ein Eingriff in die elterliche Sorge durch das Gericht ist nur dann zulässig, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Diese ist anzunehmen, wenn das Verhalten der Eltern mit ziemlicher Sicherheit zu einer erheblichen Schädigung des geistigen, sittlichen oder
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körperlichen Wohls des Kindes führen wird. 40 Es muss eine Gefahr für das Kind vorliegen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts und damit des Staates, für das Kind die optimale Erziehungsmöglichkeit auszusuchen und gegen den Willen der Eltern durchzusetzen. Daher genügt eine unpraktische oder ungeschickte Verhaltensweise der Eltern nicht, um dem Gericht nach § 1666 BGB ein Einschreiten zu ermöglichen. Einschreiten kann das Gericht bei einer Vernachlässigung des Kindes, wenn also die Pflege und Erziehung des Kindes durch die Eltern nicht sichergestellt wird. Missbrauchen die Eltern ihre elterliche Sorge, so kommt ebenfalls ein Eingriff nach § 1666 BGB in Betracht. Auch dann, wenn die Eltern unverschuldet versagen, ihr Versagen aber zu einer konkreten Kindeswohlgefährdung führt, kommt ein Eingreifen des Gerichts nach § 1666 BGB in Betracht.
Liegen die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Gerichts nach § 1666 BGB vor, so hat das Gericht ein Auswahlermessen hinsichtlich der Maßnahmen, die es anordnet. Das Gericht kann die Eltern ermahnen, es kann Gebote und Verbote aussprechen und letztlich auch den Eltern die elterliche Sorge ganz oder teilweise entziehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Für den Bereich der Personensorge ist dies im Gesetz in § 1666a BGB ausdrücklich geregelt.
§ 1666a [1] Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen
(1) 1Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. 2Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. 3Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mit bewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.
(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.
Weigern sich Eltern, ihre Kinder in einer öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule beschulen zu lassen um ihnen selbst "Hausunterricht" zu erteilen, so ist darin ein Missbrauch der elterlichen Sorge zu sehen, der ein Einschreiten nach §§ 1666, 1666 a BGB rechtfertigt. In dem vom BGH entschiedenen Fall ist den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung der Schulangelegenheiten für ihre Kinder entzogen worden. 41
Soll ein minderjähriges Mädchen, das aus Gambia stammt und die dortige Staatsangehörigkeit hat, von seiner Mutter zur Beschneidung nach Gambia gebracht
40 Bamberger/Roth/Veit, BGB, § 1666 Rn 4.
41 BGH, Beschluss vom 17. 10. 2007 - XII ZB 42/ 07, FPR 2008, 115ff.
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werden, so rechtfertigt dies nach § 1666 BGB die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. 42
Wird das Vermögen des Kindes gefährdet, sind die Eltern also nicht in der Lage, die Vermögenssorge für ihr minderjähriges Kind ordnungsgemäß wahrzunehmen, so kommen gerichtliche Maßnahme nach § 1667 BGB in Betracht. § 1667 BGB lautet
(1) 1Das Familiengericht kann anordnen, dass die Eltern ein Verzeichnis des Vermögens des Kindes einreichen und über die Verwaltung Rechnung legen. 2Die Eltern haben das Verzeichnis mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. 3Ist das eingereichte Verzeichnis ungenügend, so kann das Familiengericht anordnen, dass das Verzeichnis durch eine zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
(2) 1Das Familiengericht kann anordnen, dass das Geld des Kindes in bestimmter Weise anzulegen und dass zur Abhebung seine Genehmigung erforderlich ist. 2Gehören Wertpapiere, Kostbarkeiten oder Schuldbuchforderung gegen den Bund oder ein Land zum Vermögen des Kindes, so kann das Familiengericht dem Elternteil, der das Kind vertritt, die gleichen Verpflichtungen auferlegen, die nach §§ 1814 bis 1816, 1818 einem Vormund obliegen; die §§ 1819, 1820 sind entsprechend anzuwenden.
(3) 1Das Familiengericht kann dem Elternteil, der das Vermögen des Kindes gefährdet, Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen auferlegen. 2Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Familiengericht nach seinem Ermessen. 3Bei der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit wird die Mitwirkung des Kindes durch die Anordnung des Familiengerichts ersetzt. 4Die Sicherheitsleistung darf nur dadurch erzwungen werden, dass die Vermögenssorge gemäß § 1666 Abs. 1 ganz oder teilweise entzogen wird.
(4) Die Kosten der angeordneten Maßnahmen trägt der Elternteil, der sie veranlasst hat.
Das Gesetz benennt ausdrücklich in § 1667 Abs. 1 bis 3 BGB einzelne Maßnahmen, die zur Abwendung einer Vermögensgefährdung ergriffen werden können. Die Maßnahmen sind aber nicht abschließend. Es können auch andere Maßnahmen und auch die im Gesetz genannten Maßnahmen in Kombination miteinander angeordnet werden. 43 Ein Stufenverhältnis besteht nicht, es muss also nicht zunächst eine Maßnahme nach § 1667 Abs. 1 BGB angeordnet werden, bevor Maßnahmen nach Abs. 2 oder Abs. 3 BGB getroffen werden können.
Nach § 1667 Abs 1 BGB kann das Familiengericht die Eltern zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses über das Kindesvermögen beauflagen. Welche Angaben in dem Vermögensverzeichnis zu machen sind, ergibt sich aus § 1640 BGB. Das Familiengericht kann von den Eltern auch eine Rechnungslegung in bestimmten Abständen verlangen. Die Anordnung kann gegenüber beiden Eltern ergehen, selbst dann, wenn nur ein Elternteil durch sein Verhalten das Einschreiten des Familiengerichts verursacht hat. 44
42 BGH NJW 2005, 672.
43 Palandt-Diederichsen § 1667 Rn 3.
44 MünchKomm-Olzen § 1667 Rn 12.
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Das Familiengericht kann anordnen, dass das Geld des Kindes in bestimmter Weise anzulegen ist und dass zur Abhebung eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist (§ 1667Abs 2 S 1BGB). So kann der Vermögenssorgeberechtigte angewiesen werden, das Geld des Kindes auf ein Sparkonto einzuzahlen und das Sparbuch mit einem Sperrvermerk zu sichern. 45 Nach einer Auffassung können nur die Eltern zu einem entsprechenden Handeln angewiesen werden. Äußerstenfalls kann ihnen die Vermögenssorge auch ganz entzogen werden. Teilweise wird jedoch angenommen, das Gericht habe nach § 1667 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit, direkt gegenüber der Bank den Sperrvermerk anzuordnen. 46 Der Sperrvermerk hat zur Folge, dass Verfügungen über das Kapital und ggfls. auch die Abhebung von Zinsen der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen. 47 Gehören zum Vermögen des Kindes Wertpapiere, Kostbarkeiten und Buchforderungen gegen den Bund oder ein Land, so kann das Familiengericht nach § 1667Abs 2 S 2 BGB dem Elternteil, der das Kind vertritt, die gleichen Verpflichtungen auferlegen, die nach §§ 1814 bis 1816, 1818 einem Vormund obliegen.
Dem Elternteil, der das Vermögen des Kindes gefährdet, kann nach § 1667 Abs 3 S 1 BGB auch eine Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen auferlegt werden. Diese Maßnahme setzt nicht voraus, dass Maßnahmen nach Abs 1 und 2 bereits angeordnet waren, kann jedoch mit solchen Anordnungen verbunden werden Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Gericht nach § 1667 Abs. 3 S. 2 BGB nach seinem Ermessen. Anhaltspunkte dafür, welche Sicherheitsleistung möglich ist, geben §§ 232 ff BGB. Bei der Sicherheitsleistung bedürfte es eigentlich zur Vertretung des Kindes der Bestellung eines Pflegers (§§ 1629 Abs 2 S 1, 1795 Abs 2 BGB). Da damit aber eine Verzögerung des Verfahrens verbunden wäre, sieht § 1667 Abs. 3 S 3 BGB vor, dass bei der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit die Mitwirkung des Kindes durch die Anordnung des Familiengerichts ersetzt wird. Das Familiengericht kann also in Vertretung des Kindes etwa den Antrag auf Eintragung der vom Vater oder der Mutter bewilligten Hypothek nach § 13 GBO stellen. Wird die Sicherheitsleistung entgegen der Anordnung des Familiengerichts nicht erbracht, so kann die Anordnung des Familiengerichts nicht durch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden. Vielmehr regelt das Gesetz ausdrücklich, dass in einem solchen Fall die Vermögenssorge ganz oder teilweise nach § 1666 Abs. 1 BGB zu entziehen ist (§ 1667 Abs 3 S. 4 BGB).
Dr. T. Große-Boymann
15.05.2011
45 MünchKomm/Oelze § 1667 Rn 16.
46 So Staudinger/Coester § 1667 Rmn 11.
47 BayObLG FamRZ 1989, 1215, 1216; FamRZ 1979, 71, 72.
I. Mutterschaft II. Vaterschaft
www.uni-potsdam.de/.../fsr.../Arbeitspapier_Nr_6_Abstammung.pdf
Dateiformat: PDF/Adobe Acrobat - Schnellansicht
15.05.2011 – Wer Vater eines Kindes ist, ergibt sich aus § 1592 BGB. a. ... geschieden, so ist der Ehemann nicht mehr nach § 1592 Nr. 1 BGB der ..... Personensorgeberechtigte die Befugnis, den Umgang des Kindes zu bestimmen (§ 1632 ...
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Arbeitspapier Nr. 6: Abstammung und elterliche Sorge
A. Abstammung
Die Frage der Abstammung ist zunächst zu klären für das Unterhaltsrecht. Nach § 1601 BGB sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren. Entscheidende Bedeutung hat die Abstammung aber auch im Erbrecht, so bei der gesetzlichen Erbfolge nach §§ 1924ff BGB.
I. Mutterschaft
Mutter eines Kindes ist nach § 1591 BGB die Frau, die das Kind geboren hat. Maßgeblich ist also der Vorgang der Geburt, auf die genetische Abstammung oder auf die Herkunft der befruchteten Eizelle kommt es nicht an. Eine Anfechtung der Mutterschaft ist im Gesetz nicht vorgesehen und damit ausgeschlossen1.
Ist aufgrund einer in Deutschland nicht zulässigen Ei- oder Embryonenspende die Frau, die das Kind zur Welt bringt, nicht die genetische Mutter, so ist trotzdem die gebärende Frau rechtlich die Mutter des Kindes. Soll daran etwas geändert werden, so kann dies nur durch eine Adoption des Kindes erfolgen 2.
II. Vaterschaft
1. Feststellung
Wer Vater eines Kindes ist, ergibt sich aus § 1592 BGB.
a. § 1592 I Nr. 1 BGB
Vater eines Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Die Eheschließung muss also vor der Geburt des Kindes erfolgt sein, ist dies der Fall, so stammt das Kind von dem Ehemann der Mutter ab. Dies gilt auch dann, wenn tatsächlich das Kind von einem anderen Mann gezeugt wurde.
Eine Ausnahme gilt nach § 1599 Abs. 2 BGB dann, wenn das Kind nach Anhängigkeit eines Scheidungsantrags geboren wird und ein Dritter die Vaterschaft für das Kind anerkennt. Wird das Kind noch in der Ehe geboren, ist aber bereits ein Scheidungsantrag anhängig, so endet die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter dann, wenn ein Dritter die Vaterschaft anerkennt. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten kann noch während der bestehenden Ehe der Mutter und längsten ein Jahr nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses erfolgen. Die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten bedarf der Zustimmung der Mutter (§§ 1599 Abs. 2 S. 2,1595 Abs. 1 BGB), ferner der Zustimmung des Mannes, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist (§ 1599 Abs. 2 S. 2 BGB). Wirksam wird die Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten frühestens mit Rechtskraft
1 Staudinger/Rauscher, BGB, § 1591 Rdnr. 16; MüKoBGB/Wellenhofer, § 1598a Rdnr. 14 geht von der Möglichkeit der Klärung der genetischen Mutterschaft aus.
2 Musielak/Borth, FamFG, § 169 Rdnr. 2.
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der Scheidung der Ehe der Mutter (§ 1599 Abs. 2 S. 3 BGB), dann allerdings rückwirkend von der Geburt an. Bis dahin ist der Ehemann der Mutter der Vater des Kindes. Wurde der Ehemann der Mutter für das Kind auf Unterhalt in Anspruch genommen, so hat der Ehemann ab der Wirksamkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses des Dritten (vergleiche § 1600d Abs. 4 BGB) einen Anspruch aus übergegangenem Recht gegen den Dritten nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB.
Ist die Ehe der Mutter mit dem Ehemann vor der Geburt des Kindes rechtskräftig geschieden, so ist der Ehemann nicht mehr nach § 1592 Nr. 1 BGB der Vater des Kindes.
Wird die Ehe der Mutter durch Tod aufgelöst und wird das Kind innerhalb von 300 Tagen nach dem Tod des Ehemannes geboren, so ist allerdings der verstorbene Ehemann nach §§ 1593, 1592 Nr. 1 BGB der Vater des Kindes. Eine Ausnahme hiervon gilt allerdings dann, wenn die Mutter des Kindes, die Witwe, vor der Geburt des Kindes erneut geheiratet hat. Dann würde das Kind ein solches des verstorbenen Ehemannes und ein solches des jetzt mit der Frau verheirateten Ehemannes sein. Für diesen Fall regelt § 1593 S. 3, dass das Kind als Kind des neuen, lebenden Ehemannes gilt. Dieser ist der Vater des Kindes. Wird allerdings die Vaterschaft angefochten und wird rechtskräftig festgestellt, dass der neue Ehemann nicht der Vater des Kindes ist, so gilt wieder der frühere Ehemann, der Verstorbene, als Vater des Kindes. Dies ergibt sich aus § 1593 S. 4 BGB.
b. § 1592 Nr. 2 BGB
Vater eines Kindes ist danach der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat.
Der Erzeuger des Kindes kann also die Vaterschaft anerkennen. Die Anerkennung der Vaterschaft ist eine einseitige nicht empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie wirkt für und gegen alle. Die Anerkennung ist öffentlich zu beurkunden (§ 1597 Abs. 1 BGB). Sie bedarf der Zustimmung der Mutter (§ 1595 Abs. 1 BGB), hat die Mutter insoweit nicht die elterliche Sorge, also nicht die Personensorge, so bedarf die Anerkennung zu ihrer Wirksamkeit zusätzlich noch der Zustimmung des Kindes (§ 1595 Abs. 2 BGB). Bei fehlender Geschäftsfähigkeit ist § 1596 BGB zu berücksichtigen.
Die Anerkennung der Vaterschaft wird zurück auf die Geburt des Kindes. Der Mann, der die Vaterschaft anerkannt hat, wird also ab der Geburt des Kindes dessen Vater. Die Rechtswirkungen können allerdings nicht vor dem Wirksamwerden der Anerkennung geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus § 1594 Abs. 1 BGB.
Eingehalten werden müssen für eine wirksame Anerkennung der Vaterschaft die Formerfordernisse aus § 1597 BGB. Anerkennung und Zustimmung müssen öffentlich beurkundet werden. Darüber hinaus wird die Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam, solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht (§ 1594 Abs. 2 BGB). Es muss also erst eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft erfolgen, bevor die Anerkennung der Vaterschaft durch den Erzeuger wirksam wird. In diesem Zusammenhang ist auch § 1599 Abs. 2 BGB zu berücksichtigen (siehe oben).
Der Mann kann sein Vaterschaftsanerkenntnis, also seine Erklärung, dass er Vater des Kindes ist, widerrufen, wenn sie innerhalb eines Jahres nach der Beurkundung noch nicht wirksam geworden ist (§ 1597 Abs. 3 BGB). Der Widerruf kann also erfolgen, wenn die
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Kindesmutter und im Fall des § 1595 Abs. 2 BGB das Kind nicht binnen eines Jahres der Vaterschaftsanerkennung zugestimmt hat.
Beispiel: Paul hat nach der Geburt von Paulchen, geb. am 1.2.2008, am 6.2.2008 die Vaterschaft anerkannt. Paula stimmt der Anerkennung der Vaterschaft bis heute nicht zu. Paul kommen nun Zweifel, ob er tatsächlich der Vater von Paulchen ist, da ihm mittlerweile zu Ohren gekommen ist, dass Paula nicht nur mit ihm geschlechtlich verkehrt hat, sondern auch mit dem Nachbarn Franz. Hier kann Paul, weil die Anerkennung der Vaterschaft mangels Zustimmung der Paula nicht innerhalb eines Jahres wirksam geworden ist, seine Erklärung widerrufen. Der Widerruf muss beurkundet werden (§ 1597 Abs. 3 BGB).
c) §1592 Nr. 3 BGB
Vater eines Kindes ist darüber hinaus auch der Mann, dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt wurde.
aa. Feststellung nach § 1600d BGB
Wird kein Mann nach § 1592 Nr. 1 BGB bzw. § 1593 BGB (beim Tod des Mannes) als Vater des Kindes vermutet und ist auch der Erzeuger nicht freiwillig bereit, die Vaterschaft anzuerkennen, so kann die Vaterschaft nur gerichtlich geklärt werden. Dies ergibt sich aus § 1600d BGB.
Zuständig für das Verfahren ist das Familiengericht (vgl. §§ 169 ff FamFG). Ein solches Verfahren kann nur von dem Kind, der Mutter oder dem Erzeuger des Kindes eingeleitet werden. Von Amts wegen wird die Vaterschaft nicht gerichtlich festgestellt 3.
Zur Schlüssigkeit der Klage auf Feststellung der Vaterschaft eines Mannes genügt um Beispiel die Behauptung des klagenden Kindes, es stamme von dem Mann ab. Das Gericht muss dann von Amts wegen ermitteln, ob dies zutrifft, weil der Amtsermittlungsgrundsatz gilt. Das Gericht hört regelmäßig zunächst die Mutter an, und zwar dazu, ob sie überhaupt innerhalb der gesetzlichen Empfängniszeit mit dem potentiellen Vater des Kindes geschlechtlich verkehrt hat. Regelmäßig reichen die Aussagen der Kindesmutter dem Gericht zur Überzeugung nicht. Es wird daher im allgemeinen ein DNA-Gutachten oder ein Blutgruppengutachten zur Klärung der Abstammung eingeholt4. Erst dann, wenn sich unter Ausnutzung aller zur Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten nicht feststellen lässt, wer der Vater des Kindes ist, kommt die gesetzliche Vermutung nach § 1600 d Abs. 2 BGB zum Tragen. Da kein Kind ohne Vater sein soll, greift dann die gesetzliche Vermutung, wonach derjenige der Vater des Kindes ist, der der Mutter während der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat. Das Gericht entscheidet durch Beschluss. Wird der Beschluss rechtskräftig, so steht verbindlich fest, dass das Kind von dem im Beschluss genannten Mann abstammt, dieser also der Vater ist.
3 Staudinger/Rauscher, BGB, § 1600d Rdnr. 8.
4 Vgl. dazu Schael in Verfahrenshandbuch Farniliensachen, § 8 Rn. 58 auch zum Gang des Verfahrens nach dem FamFG
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bb. § 182 Abs. 1 FamFG
Hat der Erzeuger eines Kindes die Vaterschaft eines anderen Mannes, die nach § 1592 BGB bestand, nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB erfolgreich angefochten, so wird in dem Beschluss, der das Verfahren abschließt, festgestellt, dass der anfechtende Erzeuger der Vater des Kindes ist (§ 182 FamFG).
2. Anfechtung
a. Gegenstand der Anfechtung
Anfechtbar ist die Vaterschaft, die aufgrund einer Ehe mit der Mutter nach § 1592 Nr. 1 BGB bzw. § 1593 S. 1 BGB besteht. Anfechtbar ist auch die Vaterschaft aufgrund Anerkennung nach § 1592 Nr. 2 BGB. Ist die Vaterschaft durch ein Gericht festgestellt worden (§ 1592 Nr. 3 BGB) so kann gegen diesen Beschluss nicht mit einer Anfechtung der Vaterschaft vorgegangen werden, weil eine Abänderung ausgeschlossen ist (§ 184 FamFG). Es besteht nur die Möglichkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 578ff ZPO, 185 FamFG 5.
b. Anfechtungsberechtigte
Anfechtungsberechtigt sind nur die in § 1600 Abs. 1 BGB genannten Personen, also der Mann, der als Vater gilt, der Mann, der meint, der Erzeuger des Kindes zu sein, die Mutter des Kindes, das Kind selbst sowie die zuständige Behörde in den Fällen des Vaterschaftsanerkenntnisses nach § 1592 Nr. 2 BGB.
- Anfechtung des Mannes, der meint, der Erzeuger des Kindes zu sein
Die erfolgreiche Anfechtung des Mannes, der meint, der Erzeuger des Kindes zu sein (Berechtigter nach § 1600 I Nr. 2 BGB), setzt voraus, dass zwischen dem Kind und seinem (rechtlichen) Vater (iSd §§ 1592 Nr. 1, 1592 Nr. 2, 1593 BGB) zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung über den Anfechtungantrag6 keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes des rechtlichen Vaters bestanden hat. Ferner ist Voraussetzung, dass der Anfechtende tatsächlich der leibliche Vater des Kindes ist. 7 Hat der leibliche Vater das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung zwischen dem rechtlichen Vater und dem Kind nicht widerlegen können, so führt dies zur Unbegründetheit des Anfechtungsantrags nach § 1600 Abs. 1 Nr. 2 BGB. 8
- Anfechtung des Mannes, der meint, nicht der Erzeuger des Kindes zu sein
Die schlichte Behauptung, nicht leiblicher Vater des Kindes zu sein, reicht nicht aus. Vielmehr muss der anfechtende rechtliche Vater (§ 1600 I Nr. 1 BGB) Umstände vortragen, die objektiv geeignet sind, Zweifel an der Abstammung des Kindes von ihm zu wecken. 9 Dies ist erforderlich, um das betroffene Kind vor Klagen ins Blaue hinein zu bewahren. 10 Andererseits dürfen aber die Anforderungen an die Darlegungslast des rechtlichen Vaters auch nicht zu hoch angesetzt werden, damit er überhaupt eine Chance hat, ein
5 Vgl. zu den Einzelheiten Verfahrenshandbuch Familiensachen § 8 Rdnr. 76.
6 Staudinger/Rauscher § 1600 Rn 41.
7 BGHZ 170, 161, 171 = FamRZ 2007, 541 unter II 4 b bb
8 BGHZ 170, 161, 166 = FamRZ 2007, 538, 539
9 Vgl. BGH, Urteil vom 22. April 1998 - XII ZR 229/ 96 -, NJW 1998, S. 2976 [2977]; Urteil vom 30. Oktober 2002 - XII ZR 345/ 00 -, NJW 2003, S. 585 [585].
10 Vgl. BGH, NJW 1998, S. 2976 [2977].
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Anfechtungsverfahren zu führen. Der rechtliche Vater muss Umstände vortragen 11, die es nicht ganz fernliegend erscheinen lassen, dass nicht er sondern ein anderer Mann der biologische Vater des Kindes ist. Ein heimlich eingeholter Vaterschaftstest ist kein taugliches Beweismittel und darf nicht verwertet werden, auch dann nicht, wenn danach 100%-ig feststeht, dass der Anfechtende nicht der Erzeuger des Kindes ist. 12 Es besteht aber jetzt seit dem 01.04.2008 nach § 1598 a Abs. 1 BGB die Möglichkeit der Klärung. § 1598a BGB gewährt einen Anspruch auf Einwilligung in eine genetische Untersuchung zur Klärung der leiblichen Abstammung. Nach § 1598 a Abs. 1 BGB hat das Familiengericht eine nicht erteilte Einwilligung zu ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme anzuordnen, wenn dies beantragt wird. Anspruchsberechtigt ist der rechtliche Vater, also der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet war, der die Vaterschaft anerkannt hat oder dessen Vaterschaft gerichtlich festgestellt ist (§ 1592 BGB), die Mutter und das Kind (§ 1598 a I BGB). Der Erzeuger ist nicht anspruchsberechtigt.
- Anfechtung durch die Behörde
Voraussetzung für das Anfechtungsrecht der Behörde ist, dass zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht beziehungsweise im Zeitpunkt der Anerkennung der Vaterschaft oder des Todes bestanden hat. Ferner ist Voraussetzung, dass durch die Anerkennung die rechtlichen Voraussetzungen für die erlaubte Einreise nach Deutschland oder für den erlaubten Aufenthalt des Kindes oder eines Elternteils in Deutschland geschaffen werden (§ 1600 Abs. 3 BGB).
c. Anfechtungsfrist
Die Anfechtung der Vaterschaft kann nur innerhalb der Frist von 2 Jahren nach § 1600b BGB erfolgen. Sie beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Anfechtungsberechtigte von den Umständen erfährt, die gegen die Vaterschaft sprechen13. Ein Kind kann ab Eintritt der Volljährigkeit selbst die Vaterschaft noch anfechten. Die Frist beginnt in diesem Fall nicht vor Eintritt der Volljährigkeit zu laufen (§ 1600b Abs. 3 BGB). Durch die Neufassung von § 1600b Abs. 5 S. 1 BGB ist gewährleistet, dass während des Laufs des Verfahrens nach § 1598a BGB die Anfechtungsfrist gehemmt ist 14.
Will die Behörde die Vaterschaft anfechten, so beträgt die Anfechtungsfrist nach § 1600b Abs. 2 BGB nur 1 Jahr. Wurde das Kind in der Bundesrepublik geboren, so kann die Vaterschaft durch die Behörde dann nicht mehr angefochten werden, wenn seit der Wirksamkeit der Anerkennung der Vaterschaft 5 Jahre verstrichen sind. Ist das Kind nach Deutschland eingereist, also im Ausland geboren worden, so ist die Behördenanfechtung dann ausgeschlossen, wenn seit der Einreise des Kindes nach Deutschland 5 Jahre verstrichen sind (§ 1600b Abs. 1a S. 3 BGB).
III. Auskunftsanspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Benennung des Vaters
Grundsätzlich besteht ein Anspruch des Kindes gegen seine Mutter auf Auskunft darüber, wer der Vater ist. Dieser Auskunftsanspruch wird aus § 1618a BGB, § 242 BGB i.V.m. Art. 2 Abs. 1, Art. 6 Abs. 5 GG oder aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet, insoweit
11 Vgl. BGH, NJW 1998, S. 2976 [2977].
12 Vgl. BVerfG, 13.02.2007 - 1 BvR 421/05 unter B III.
13 Vgl. dazu auch BVerfG, NJW 2007, 753ff.
14 MüKo-Wellenhofer, § 1598a Rdnr. 12.
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wird alles vertreten. Dem Auskunftsanspruch des Kindes steht die eventuell insoweit schützenswerte Intimsphäre der Kindesmutter entgegen, hier muss eine Abwägung der Interessen vorgenommen werden. Die Gerichte haben hier einen weiten Spielraum bei der Abwägung der grundrechtlich geschützten Interessen des Kindes auf Kenntnis des Vaters und dem Schutz der Intimsphäre der Mutter.15 Hat ein Kind beispielsweise ganz erhebliche psychische Probleme deshalb, weil es seinen leiblichen Vater nicht kennt und wird es insoweit bereits ärztlich behandelt, wird regelmäßig ein Anspruch auf Auskunft bestehen.16
IV. Klärung der leiblichen Abstammung nach § 1598a BGB
Früher konnte der rechtliche Vater bei Zweifeln an seiner Vaterschaft ein Abstammungsgutachten, das als Beweismittel geeignet war, nur dann erstellen lassen, wenn Mutter und Kind einverstanden waren. Dies hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet.17 Der Gesetzgeber hat nunmehr durch § 1598 a BGB die Möglichkeit eröffnet, die Abstammung des Kindes zu klären. Willigt einer der anderen Familienangehörigen nicht ein, so hat der Klärungsberichtigte jetzt die Möglichkeit, die fehlende Einwilligung durch das Familiengericht ersetzen und die Duldung einer Probeentnahme durch das Familiengericht anordnen zu lassen (§ 1598a Abs. 2 BGB).
V. Rechtliche Stellung des Scheinvaters
1. Unterhalt
Der Unterhaltsanspruch des Kindes geht nach § 1607 Abs. 3 S. 2 BGB dann, wenn der Scheinvater Unterhalt gezahlt hat, auf diesen über.
Beispiel:
S ist mit M verheiratet. Er hat seit der Geburt des Kindes Karl für dieses Kind Unterhalt erbracht. Jetzt wird durch einen Beschluss des Familiengerichts rechtskräftig festgestellt, dass S nicht der Vater des Kindes ist. Es wird ferner rechtskräftig festgestellt, dass der V der Vater des Kindes ist. S verlangt nunmehr von V Ersatz des Unterhalts. Zu Recht?
Nach § 1607 Abs. 3 S. 2 geht der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seinen Vater auf den Scheinvater über, wenn dieser als Dritter Unterhalt gewährt hat. Nach der rechtskräftigen Feststellung der Vaterschaft des V kann dieser den V in Anspruch nehmen.
Möglich ist die Durchsetzung des Anspruchs erst, wenn feststeht, wer der leibliche Vater ist. Deshalb kann der Scheinvater, der Unterhalt geleistet hat, grundsätzlich erst dann Rückgriff
gegenüber dem leiblichen Vater nehmen, wenn dessen Vaterschaft mit Wirkung für und gegen alle rechtskräftig festgestellt ist (§ 1600d Abs. 4 BGB). Im Rahmen des Unterhaltsverfahrens, das der Scheinvater gegen den leiblichen Vater führt, findet auch
15 BVerfG, FamRZ 1997, 869.
16 LG Bremen, NJW 1999, 729;
17 BVerfG NJW 2007, 753.
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inzident keine Abstammungsprüfung statt. Der Scheinvater hat auch keine Möglichkeit, ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren einzuleiten, mit dem Ziel, feststellen zu lassen, dass ein anderer Mann, nämlich der tatsächliche Erzeuger, Vater des Kindes ist.18
Die Rechtsprechung durchbricht im Ausnahmefall die Rechtsausübungssperre und lässt im Unterhaltsverfahren die Indizfeststellung der Vaterschaft des leiblichen Vaters zu. Ist in einem Abstammungsgutachten im Ehelichkeitsanfechtungsverfahren festgestellt worden, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der V der Vater des Kindes ist und hat sich darüber hinaus V auch in der Öffentlichkeit, beispielsweise gegenüber dem Jugendamt, damit gerühmt, der Vater des Kindes zu sein, so kann er sich im Regressprozess nicht darauf berufen, seine Vaterschaft sei nicht rechtskräftig festgestellt.19
2. Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Kindesmutter auf Bekanntgabe des Namens des Erzeugers des Kindes
Ein solcher Anspruch kann sich aus § 242 BGB ergeben. Er besteht allerdings keinesfalls, solange der "Scheinvater" noch rechtlich der Vater des Kindes ist. In dem entschiedenen Fall hatte der "Scheinvater" die Abstammung nach § 1598a BGB klären lassen. Danach stand fest, dass er biologisch nicht der Vater des Kindes war. Ein Anfechtungsverfahren hatte er allerdings nicht eingeleitet. Da er noch rechtlich der Vater des Kindes war, hier nach § 1592 Nr. 1 BGB, stand ihm ein Auskunftsanspruch schon deshalb nicht zu. 20 Regelmäßig wird man zusätzlich noch verlangen müssen, dass der Scheinvater überhaupt seinen Regressanspruch durchsetzen kann, dass also im Rahmen eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens oder durch Vaterschaftsanerkennung feststeht, dass der Erzeuger auch rechtlich der Vater des Kindes ist.
B. Elterliche Sorge
Nach § 1626 Abs. 1 BGB haben die Eltern die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen. So wird die elterliche Sorge im Gesetz definiert. Sie haben für die Person des Kindes zu sorgen (Personensorge) und auch für das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).
1. Wer hat die elterliche Sorge?
In § 1626 BGB geht das Gesetz davon aus, dass die Eltern eines Kindes bei dessen Geburt auch miteinander verheiratet sind. Miteinander verheiratete Eltern haben für ihre gemeinsamen minderjährigen Kinder die elterliche Sorge im oben genannten Umfang. Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen gemeinsam die elterliche Sorge für ihr Kind zu, wenn sie entweder heiraten (§ 1626a Abs. 1 Nr. 2 BGB), wobei zum Zeitpunkt der Eheschließung der biologischen Eltern des Kindes die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter feststehen muss 21 oder aber eine sogenannte Sorgeerklärung abgeben (§ 1626a Abs. 1 Nr. 1 BGB). Heiraten die Eltern des Kindes nicht
18 MüKo ZPO, § 169 FamFG Rdnr. 27.
19 BGH, NJW 2008, 2433; LG Halle FamRZ 1999, 1295.
20 OLG Jena, NJW-RR 2011, 294.
21 Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, § 1626a Rn. 8.
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und wird auch keine Sorgeerklärung abgegeben, so steht die elterliche Sorge für ein nichteheliches Kind ausschließlich der Kindesmutter zu (§ 1626a Abs. 2 BGB). Dies gilt auch dann, wenn bei der Eheschließung die Vaterschaft des Ehemannes der Mutter nicht festgestellt ist. Hat der Ehemann der Mutter vor der Eheschließung die Vaterschaft für das Kind weder anerkannt und ist die Vaterschaft auch nicht gerichtlich festgestellt worden, so ändert die Eheschließung der biologischen Eltern an der alleinigen elterlichen Sorge der Kindesmutter nichts 22.
Das Familiengericht kann der Kindesmutter nach §§ 1666, 1666a, 1667 BGB die elterliche Sorge entziehen. Ist dies erfolgt, so kann das Gericht nach § 1680 III BGB, in Verbindung mit § 1680 II 2 BGB dem Vater die elterliche Sorge übertragen, wenn dies dem Kindeswohl dient. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so kann der Vater des Kindes nach dem Wortlaut des Gesetzes gegen den Willen der Mutter eine Teilhabe an der elterlichen Sorge nicht erlangen. Mit Zustimmung der Mutter konnte auch dem Vater bisher nach § 1672 I BGB die elterliche Sorge übertragen werden, wenn die Übertragung dem Kindeswohl diente. Gegen den Willen der Mutter war dies nur dann möglich, wenn der Mutter wegen Gefährdung des Kindeswohls die elterliche Sorge entzogen wurde (§§ 1680 III, II 2,16 166 BGB), die elterliche Sorge dauerhaft ruhte (1678 II BGB) oder wenn die Kindesmutter verstorben war (§§ 1680 II 2, 1681 BGB). Der Vater eines nichtehelichen Kindes war, von den vorgenannten Ausnahmefällen abgesehen, vom Zugang zur elterlichen Sorge bei fehlender Zustimmung der Mutter ausgeschlossen. Er konnte nicht gerichtlich überprüfen lassen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf ihn dem Kindeswohl besser diente oder ob es dem Kindeswohl dienlich war, wenn die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam ausgeübten. Dies sah das Gesetz nicht vor. Selbst dann, wenn eine Abwägung der Umstände im Einzelfall zu dem Ergebnis führte, dass die gemeinsame elterliche Sorge für das Kind dem Kindeswohl diente, war die Erklärung der Mutter nicht gerichtlich ersetzbar bzw. die Einräumung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegen den Willen der Mutter möglich. Das BVerfG23 hielt dies im Jahre 2003 noch für verfassungsgemäß. Es hat ausgeführt, dass die den Eltern durch § 1626a I BGB gegebene Möglichkeit, rechtlich gemeinsam für ihr Kind Sorge zu tragen, einen Konsens der Eltern über die gemeinsame elterliche Sorge voraussetze. Es lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Gesetzgeber damit dem Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes unter dem Gesichtspunkt von Artikel 6 Abs. 2 GG nicht ausreichend Rechnung getragen habe. Dies vor dem Gesichtspunkt, dass regelmäßig eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge für ein nichteheliches Kind gegen den Willen der Mutter mehr Nachteile als Vorteile für das Kind bringe. § 1626a BGB sei daher mit dem Grundgesetz vereinbar und nicht verfassungswidrig.
Der EuGHMR 24 hat diese Entscheidung des BVerfG überprüft. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es gegen Artikel 14 EMRK (Diskriminierungsverbot) iVm Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Familienlebens) verstößt, wenn einem nichtehelichen Vater nicht die Möglichkeit gegeben wird, eine gerichtliche Überprüfung der alleinigen elterlichen Sorge der Mutter zu erreichen. Der EuGHMR teilte die Einschätzung des BVerfG nicht, wonach die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge gegen den Willen der Kindesmutter
22 Johannsen/Henrich/Jaeger, Familienrecht, § 1626a Rn. 8, 2.
23 BVerfG FamRZ 2003, 285.
24 EuGHMR FamRZ 2010, 103.
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grundsätzlich dem Kindeswohl widerspricht. Er führt weiter aus, dass zwar Gerichtsverfahren zur Regelung der elterlichen Sorge auf ein Kind verstörend werden könnten, dass aber das deutsche Recht eine gerichtliche Überprüfung der elterlichen Sorge bei verheirateten Eltern beziehungsweise Eltern, die eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben haben, vorsieht. Es sei kein Grund ersichtlich, warum dann, wenn sich eine Mutter weigere, eine Sorgerechterklärung abzugeben, eine solche gerichtliche Überprüfung nicht stattfinden solle.
Das BVerfG 25 hat im Juli 2010 die § 1626a I Nr. 1 BGB und § 1672 I BGB für mit Art. 6 II Grundgesetz unvereinbar erklärt. Es erfolge ein schwerwiegenden Eingriff in das Elternrecht des Vaters, das verfassungsrechtlich in Art. 6 II Grundgesetz geschützt ist. Dieser Eingriff sei unverhältnismäßig und nicht gerechtfertigt. Normen, die verfassungswidrig sind, sind grundsätzlich für nichtig zu erklären. Dies ergibt sich aus § 95 III 1, 2 BVerfGG. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn durch die Nichtigkeit ein Zustand geschaffen würde, der von der verfassungsgemäßen Ordnung noch weiter entfernt ist, als der, der bislang mit den verfassungswidrigen Normen besteht. Dies hat das BVerfG hier angenommen. Würden die §§ 1626a I Nr. 1, 1672 I BGB für nichtig erklärt, so würde dies dazu führen, dass selbst dann, wenn die Eltern eines nichtehelichen Kindes gemeinsam die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater wünschten und wollten, dies nicht mehr möglich wäre. Auch eine Unanwendbarkeit der Norm kommt nicht in Betracht, weil auch dies den verfassungswidrigen Zustand vertiefen würde26. Das BVerfG hat ausgeführt, man könne auch die verfassungswidrigen Normen hier auch nicht bis zu einer Neuregelung durch den Gesetzgeber weiterhin für anwendbar erklären. Dem stehe zum einen entgegen, dass letztlich nicht beurteilt werden könne, wann der Gesetzgeber eine Neuregelung schaffe. Gerade in kindschaftsrechtlichen Angelegenheiten spiele der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle. Durch fortschreitendem Zeitablauf könne sich hier gegebenenfalls eine bestehende Situation so verfestigen, dass dann später tatsächlich die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge oder die Übertragung der elterlichen Sorge auf den Kindesvater nicht mehr dem Kindeswohl entspreche. Darüber hinaus hätten die Familiengerichte dann mit § 1626a I Nr. 1 BGB eine Vorschrift anzuwenden, die nicht nur dem Grundgesetz widersprechen sondern auch vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte für unvereinbar mit Art. 8 EMRK erklärt wurde 27. Das BVerfG hat jetzt, bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, ein Regelungskonzept angeordnet, das sich daran orientiert, dass Eltern von nichtehelichen Kindern durch Abgabe einer gemeinsamen Sorgeerklärung die gemeinsame elterliche Sorge für ihr Kind begründen können. Es hat vorläufig angeordnet, dass die Familiengerichte den Eltern auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge gemeinsam übertragen soll, soweit zu erwarten ist, dass dies dem Kindeswohl entspricht. Der Prüfungsmaßstab ist das Kindeswohl. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Belange des Kindes maßgebliche Berücksichtigung finden, die Zugangsvoraussetzungen zur gemeinsamen elterlichen Sorge allerdings auch nicht zu hoch angesetzt werden 28.
25 BVerfG NJW 2010, 3008 ff [71].
26 BVerfG NJW 2010, 3008 [72].
27 EGMR, NJW 2010, 501 [64].
28 BVerfG, NJW 2010, 3008 [75].
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2. Wie wird eine Sorgeerklärung abgegeben?
Wie die Sorgeerklärung abzugeben ist, regelt das Gesetz in den §§ 1626b bis 1626e BGB. Eine Sorgeerklärung unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung ist unwirksam. Es kann also keine Sorgeerklärung für ein Kind abgegeben werden, etwa für den Zeitraum, in dem die nichteheliche Lebensgemeinschaft mit der Kindesmutter besteht oder unter der Bedingung, dass sich der Kindesvater auch um das Kind kümmert. 29 Die Sorgeerklärung kann schon vor der Geburt des Kindes abgegeben werden, dann steht sie allerdings schon nach dem Gesetz unter der Bedingung, dass das Kind lebend zur Welt kommt (§ 1626b Abs. 2 BGB). Die Sorgeerklärung muss von den Eltern persönlich abgegeben werden. Ist ein Elternteil beschränkt geschäftsfähig, so ist seine Erklärung nur dann wirksam, wenn der gesetzliche Vertreter zugestimmt hat (§ 1626 c BGB). Stimmt der gesetzliche Vertreter nicht zu, so hat das Familiengericht die Zustimmung zu ersetzen, wenn die Sorgeerklärung dem Wohl des beschränkt geschäftsfähigen Elternteils nicht widerspricht.
Voraussetzung für die Abgabe einer wirksamen Sorgeerklärung durch den Mann ist ferner, dass die Vaterschaft des Mannes im Rechtssinne feststeht. Er muss die Vaterschaft entweder anerkannt haben oder die Vaterschaft muss gerichtlich festgestellt sein (§ 1592 Nr. 2, 3 BGB).
Eine Sorgeerklärung kann nicht mehr wirksam abgegeben werden, wenn das Gericht schon über die elterliche Sorge für das gemeinsame Kind nach §§ 1671 , 1672 BGB entschieden hat oder wenn eine Entscheidung nach diesen Vorschriften gemäß § 1696 BGB geändert wurde. Hatten die Eltern des minderjährigen nichtehelichen Kindes eine Sorgeerklärung für ihr Kind abgegeben und trennen sie sich, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm die elterliche Sorge ganz oder zum Teil allein übertragen wird (§ 1671 I BGB).
Schließlich hat das Gericht nach 1696 BGB die Möglichkeit, eine einmal getroffene Regelung zur elterlichen Sorge abzuändern, wenn dies aus triftigen Gründen zum Wohl des Kindes erforderlich ist (§ 1696 BGB). Ist eine solche gerichtliche Entscheidung zur elterlichen Sorge erfolgt, so kann eine wirksame Sorgeerklärung nicht mehr abgegeben werden (§ 1626b Abs. 3 BGB).
Ist einem Elternteil die elterliche Sorge allein übertragen worden, so kann nach § 1696 BGB beantragt werden, den Eltern wieder die gemeinsame elterliche Sorge zu übertragen, wobei dies nur erfolgt, wenn die strengen gesetzlichen Voraussetzungen nach § 1696 Abs. 1 BGB vorliegen. 30 Ist dem Vater eines nichtehelichen Kindes nach § 1672 Abs. 1 BGB die elterliche Sorge allein übertragen worden, so kann das Familiengericht auf Antrag eines Elternteils und mit Zustimmung des anderen beiden Elternteilen die gemeinsame elterliche Sorge wieder einräumen (§ 1672 Abs. 2 BGB). Dies geht nur dann, wenn die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. 31
29 Bamberger/Roth-Veit, 1626b Rn 3.
30 Vgl. dazu BGH, Beschl. v. 25.5.2005 – XII ZB 28/05-.
31 Vgl. dazu auch MünchKomm-Huber, § 1626b Rn 21-23.
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3. Welchen Umfang hat die elterliche Sorge?
Die elterliche Sorge umfasst die Personensorge und die Vermögenssorge.
a) Personensorge
Die Personensorge ist gekennzeichnet durch das Recht und die Pflicht der Eltern zur Pflege und Erziehung der Kinder, einschließlich der Bestimmung der Religion und der Berufsausbildung. Umfasst wird auch die Beaufsichtigung der Kinder sowie die Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts (§ 1631ff BGB). Die Personensorge umfasst nach § 1632 BGB ferner das Recht, die Herausgabe des Kindes von demjenigen zu verlangen, der es den Eltern oder einem Elternteil widerrechtlich vorenthält. Darüber hinaus hat der Personensorgeberechtigte die Befugnis, den Umgang des Kindes zu bestimmen (§ 1632 Abs. 2 BGB).
b) Vermögenssorge
Die Vermögenssorge erstreckt sich auf alle tatsächlichen und rechtlichen Maßnahmen, die der Erhaltung, Vermehrung und Verwertung des Kindesvermögens dienen (vgl. §§ 1638ff BGB). Hat das Kind Vermögen geerbt oder im Wege der vorweggenommenen Erbfolge bekommen, so kann die Verwaltung dieses Vermögens den Eltern ganz oder teilweise entzogen sein. Voraussetzung dafür ist, dass der Zuwendende dies entweder in seinem Testament festhält oder dies in den Übertragungsvertrag mit dem Kind aufgenommen wird (§§ 1638, 1639 BGB).
c) Vertretungsmacht der Eltern, Prozessstandschaft
Nach § 1629 BGB umfasst die elterliche Sorge auch die Vertretung des Kindes. Die Eltern vertreten das Kind gemeinsam. Ist eine Willenserklärung gegenüber dem Kind abzugeben, so genügt nach § 1629 Abs. 1 S. 2 BGB die Abgabe der Willenserklärung gegenüber einem Elternteil. Die gesetzliche Vertretungsmacht der Eltern ist jedoch nach § 1629 Abs. 2 S. 1 BGB beschränkt. So können die Eltern das Kind insoweit nicht vertreten, wie auch ein Vormund das Kind nicht vertreten könnte (Verweis auf § 1795 BGB). Danach kann beispielsweise die Mutter das Kind nicht vertreten im Rahmen eines Rechtsgeschäfts mit dem Vater, daher kann grundsätzlich auch kein Rechtsstreit des Kindes vertreten durch die Mutter gegen den Vater geführt werden. Für Unterhaltsangelegenheiten gilt dies allerdings nicht. Aus § 1629 Abs. 2 S. 2 ergibt sich, dass trotz bestehender gemeinsamer elterlicher Sorge der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, die Unterhaltsansprüche gegen den anderen Elternteil geltend machen kann. Während der Zeit des Getrenntlebens verheirateter Eltern kann der Elternteil, in dessen Obhut sich das Kind befindet, diesen Unterhaltsanspruch sogar nur im eigenen Namen geltend machen (§ 1629 Abs. 3 S. l BGB). Es handelt sich um einen Fall der gesetzlichen Prozessstandschaft. Der Begriff der Obhut stellt dabei auf die tatsächlichen Betreuungsverhältnisse ab. Ein Kind befindet sich in der Obhut desjenigen Elternteils, bei dem der Schwerpunkt der tatsächlichen Fürsorge und Betreuung liegt, der sich also vorrangig um die Befriedigung der elementaren Bedürfnisse des Kindes kümmert. Leben die Eltern in verschiedenen Wohnungen und hat das Kind seinen Lebensmittelpunkt z.B. bei der Mutter, so hat die Mutter die Obhut im Sinne des § 1629 Abs. 2 Satz 2 BGB. 32
32 BGH, Urteil vom 28. 2. 2007 - XII ZR 161/ 04.
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d) Beschränkungen der elterlichen Sorge
Das Gesetz selbst regelt bestimmte Beschränkungen der elterlichen Sorge. So haben Kinder nach § 1631 Abs. 2 BGB ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und anderer entwürdigende Maßnahmen (z.B. Nacktausziehen, Nichtansprechen über längere Zeit) sind unzulässig. Halten sich die Eltern daran nicht, so steht dem Kind allerdings kein Unterlassungsanspruch zu. Dies ergibt sich daraus, dass § 1666 BGB für die Fälle der missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge eine abschließende Sonderregelung trifft.33 Das Kind kann allerdings Schadensersatzansprüche gegen die Eltern geltend machen nach §§ 823 Abs. 1, Abs. 2 in Verbindung mit § 1631 Abs. 2 BGB, evt. 223 StGB. Ist durch das Handeln der Eltern ein Straftatbestand erfüllt, kommt auch eine Strafverfolgung der Eltern in Betracht . 34
Die Eltern haben bei der Ausbildung des Kindes und bei der Wahl des Berufes auf die Eignung und Neigung des Kindes Rücksicht zu nehmen. Sie sollen bei Lehrern oder anderen geeigneten Personen Rat einholen, sofern Zweifel bestehen (§ 1631a BGB). Halten sich die Eltern daran nicht, so kann dann, wenn die fehlende Berücksichtigung der Eignung und Neigung des Kindes die Grenze zur missbräuchlichen Ausübung der elterlichen Sorge überschreitet, eine gerichtliche Maßnahme nach § 1666 BGB getroffen werden. Haben die Eltern das Kind in eine Ausbildung gedrängt, die nicht seinen Neigungen und seiner Eignung entspricht, so haben die Eltern ihre Pflicht zur Finanzierung einer angemessenen Vorbildung zu einem Beruf (§ 1610 Abs. 2 BGB) nicht erfüllt . Sie müssen dann auch die Kosten einer weiteren Ausbildung des Kindes tragen.35
Eltern können nicht in die Sterilisation ihres minderjährigen Kindes einwilligen. Auch das Kind selbst kann nicht einwilligen. Es kann für das Kind auch kein Pfleger für die Einwilligung in eine Sterilisation bestellt werden. Eine Sterilisation eines minderjährigen Kindes ist verboten (§ 1631c BGB).
Ist ein minderjähriges Kind verheiratet oder war es verheiratet, so beschränkt sich die Personensorge auf die Vertretung in persönlichen Angelegenheiten. Die tatsächliche Personensorge im Sinne von § 1631 Abs. 1,1632 BGB geht unter. Diese geht insbesondere nicht auf den volljährigen Ehegatten über. Die Vermögenssorge bleibt in vollem Umfang bestehen. Endet die Ehe vor Eintritt der Volljährigkeit, so verbleibt es bei der nur noch eingeschränkten Personensorge. Die tatsächliche Personensorge lebt nicht wieder auf.
Im Bereich der Vermögenssorge unterliegen die Eltern der Beschränkung, dass sie aus dem Vermögen des Kindes in Vertretung des Kindes bis auf Pflicht- und Anstandsschenkungen keine Schenkungen machen können (§ 1641 BGB). Eltern haben das Geld ihres Kindes nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung anzulegen, soweit das Geld nicht zum Bestreiten von Ausgaben benötigt wird (§ 1642 BGB). Die Eltern haben die Einkünfte aus dem Kindesvermögen für den Unterhalt des Kindes zu verwenden. Entspricht es unter Berücksichtigung der Vermögens- und Erwerbsverhältnissen der Billigkeit, so können Einkünfte aus dem Vermögen des Kindes auch für den Unterhalt der Eltern und den Unterhalt der minderjährigen unverheirateten Geschwister des Kindes verwendet werden (§ 1649 BGB).
33 MüKoBGB/Huber § 1631 Rn 32, 33.
34 Bamberger/Roth/Veit, BGB, 1631 Rn 25.
35 BGH NJW-RR 2000, 593, 594.
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e) Genehmigung des Familiengerichts
Verschiedene von den Eltern zu treffende Maßnahmen sind nur dann wirksam, wenn sie vom Familiengericht genehmigt werden. So können Eltern beispielsweise ihr Kind nur mit Genehmigung des Familiengerichts unterbringen (§ 1631b BGB). Nur bei Gefahr im Verzug kann zunächst die Unterbringung erfolgen, die familiengerichtliche Genehmigung ist dann allerdings unverzüglich nachzuholen (§ 1631b S. 2 BGB).
Im Bereich der Vermögenssorge benötigen die Eltern für bestimmte, für das Kind besonders bedeutsame Geschäfte, nach § 1643 BGB die Genehmigung des Familiengerichts. Zum einen dürfen die Eltern grundsätzlich eine Erbschaft oder ein Vermächtnis nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts ausschlagen, ferner dürfen sie nicht auf einen Pflichtteil ohne Genehmigung des Familiengerichts verzichten. Darüber hinaus können die Eltern Grundstücksgeschäfte, für die ein Vormund nach § 1821 BGB eine Genehmigung des Gerichts benötigt, nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts abschließen. Ferner können die Eltern Geschäfte nach § 1822 Nr. 1, 3, 5, 8 bis 11 BGB nicht ohne Genehmigung des Familiengerichts abschließen. Schließen die Eltern ein Geschäft ohne die erforderliche Genehmigung ab, so ist dieses Geschäft zunächst schwebend unwirksam. Es wird endgültig wirksam, wenn die familiengerichtliche Genehmigung erteilt wird. Wird die Genehmigung verweigert, so wird das Geschäft unwirksam (§§ 1829 BGB, 1643 Abs. 3 BGB). Einseitige Rechtsgeschäfte, die ohne die erforderliche Genehmigung des Familiengerichts abgeschlossen wurden, sind unwirksam (§§ 1831, 1643 Abs. 3 BGB).
3. Wird die elterliche Sorge durch die Trennung der Eltern berührt?
Die elterliche Sorge für gemeinsame Kinder steht den Eltern auch nach einer Trennung weiterhin gemeinsam zu. Dies ergibt sich aus § 1671 Abs. 1 BGB.
In § 1687 BGB ist allerdings geregelt, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern nur dazu führt, dass Regelungen von erheblicher Bedeutung für das Kind im Einvernehmen beider Elternteile getroffen werden müssen. Entscheidungen in Angelegenheiten des täglichen Lebens kann der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, allein treffen. Entscheidungen des täglichen Lebens sind nach § 1687 Abs. 1 S. 3 BGB solche, die häufig vorkommen und die keine schwer abzuändernden Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes haben. Allein entscheiden kann der betreuende Elternteil zum Beispiel über die Anmeldungen zum Nachhilfeunterricht, die Bestimmung der Schlafenszeit, die Gestaltung des Fernsehkonsums, die Regelung des Besuchs von Badeanstalten und Diskotheken, den Umgang mit Freunden, die gewöhnliche medizinische Versorgung. Im Bereich der Vermögenssorge kann der Elternteil, der das Kind in seiner Obhut hat, bestimmen, wie viel Taschengeld das Kind bekommt, er kann kleinere Geldgeschenke allein verwalten. Eine Abstimmung mit dem anderen Elternteil muss jedoch bei wesentlichen Entscheidungen erfolgen, so beispielsweise, wenn das Kind, das bis zur Trennung in die Kindertagesstätte oder den Kindergarten gegangen ist, dort abgemeldet werden soll. Auch die Auswahl der Schule oder einer Ausbildungsstätte ist von den Eltern gemeinsam vorzunehmen. Operationen oder sonstige gravierende medizinische Behandlungen, auch
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Impfungen, 36 sind abzustimmen, es sei denn, es liegt ein Notfall vor. Abzustimmen sind auch Reisen zumindest mit einem kleineren Kind in einen fremden Kulturkreis.
Im Bereich der Vermögenssorge sind alle Geschäfte, die nach § 1643 BGB vom Familiengericht genehmigt werden müssen, mit dem anderen Elternteil abzustimmen.
Die Eltern haben nach § 1627 BGB die Pflicht, die elterliche Sorge im gegenseitigen Einvernehmen zum Wohl des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen (§ 1627 S. 2 BGB). Gelingt dies nicht, so kann jeder Elternteil beim Gericht einen Antrag stellen, dass ihm in einer einzelnen Angelegenheit oder in einer bestimmten Art von Angelegenheiten die elterliche Sorge allein übertragen wird (§ 1628 BGB). Können sich die Eltern zum Beispiel nicht darauf verständigen, ob das Kind eine „normale" staatliche Schule oder zum Beispiel eine Waldorfschule besuchen soll, so kann auf Antrag einem Elternteil das Recht übertragen werden, die Schulangelegenheiten für das Kind zu regeln.
4. Kann die gemeinsame elterliche Sorge aufgehoben werden?
Leben die Eltern, denen die elterliche Sorge für ihr minderjähriges Kind gemeinsam zusteht, dauerhaft getrennt, so kann jeder Elternteil beantragen, dass ihm die elterliche Sorge ganz oder zum Teil allein übertragen wird. Dieses Recht steht jedem Elternteil nach § 1671 Abs. 1 BGB nach der Trennung zu. Eltern, die nicht dauerhaft getrennt leben, können sich nur auf § 1628 BGB stützen, wenn sie sich nicht einigen können.
Dem Antrag ist nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB stattzugeben, wenn der andere Elternteil zustimmt und das über 14 Jahre alte Kind nicht widerspricht. Stimmt zwar der andere Elternteil zu, ist allerdings das Kind selbst schon 14 Jahre alt und ist dieses nicht mit der Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil einverstanden, so liegen die Voraussetzungen für die Übertragung der elterlichen Sorge nach § 1671 Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vor. Das Gericht muss dann prüfen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Kindeswohl entspricht. Es ist also nicht so, dass das 14 Jahre alte Kind ein "Vetorecht" hat. Kommt das Gericht im Rahmen der Prüfung aller Umstände zu der Überzeugung, dass die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht, so übertragt das Gericht die elterliche Sorge auch gegen den Willen des Kindes dem anderen Elternteil. 37
Stimmt der andere Elternteil dem Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge von ihm auf den anderen nicht zu, so muss das Gericht nach § 1671 Abs. 2 Nr. 2 BGB prüfen, ob die Übertragung der elterlichen Sorge auf den anderen Elternteil dem Wohl des Kindes am besten entspricht. Da die gemeinsame elterliche Sorge jetzt der gesetzliche Regelfall ist, kommt eine Übertragung der elterlichen Sorge ganz oder teilweise auf einen Elternteil nur dann in Betracht, wenn das Gericht die Überzeugung gewinnt, dass die Aufhebung der elterlichen Sorge dem Kindeswohl am besten entspricht. Es besteht aber keine gesetzliche
36 KG FamRZ 2006, 142.
37 Palandt/Diederichsen, BGB, § 1671 Rdnr.15.
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Vermutung dafür, dass die gemeinsame elterliche Sorge nach der Trennung der Eltern im Zweifel die für das Kind beste Form der Wahrnehmung elterlicher Verantwortung ist. 38 Eine dem Kindeswohl entsprechende gemeinsame Ausübung der Elternverantwortung setzt ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge und insgesamt eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern voraus. 39
5. Was ist im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung zu berücksichtigen?
a) wirklicher Wille des Kindes
Häufig kann das Gericht gar nicht aus eigener Sachkompetenz entscheiden, ob die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Übertragung der elterlichen Sorge auf einen Elternteil dem Kindeswohl am besten entspricht. Eingeschaltet wird dann ein Verfahrenspfleger, der sich mit dem Kind und auch den Eltern unterhält, um die Wünsche und den Willen des Kindes zu ergründen. Reicht dem Gericht das, was der Verfahrenspfleger ermittelt hat, für eine Entscheidung nicht, so schaltet das Gericht einen Psychologen als gerichtlichen Sachverständigen ein, der durch Gespräche und Tests mit den Kindern und den Eltern herausfindet, was dem Kindeswohl am besten entspricht. Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Entscheidung des Gerichts u.a. der wirkliche Wille des Kindes. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieser häufig schwer zu ermitteln ist, da Kinder regelmäßig dazu neigen, jedem Elternteil die Antwort zu geben, bei der das Kind davon ausgeht, dass der Elternteil diese hören will. Darüber hinaus sind gerade kleinere Kinder leicht beeinflussbar. Vor diesem Hintergrund wird im Rahmen gerichtlicher Entscheidungen häufig dem geäußerten Willen zumindest kleinerer Kinder nicht die entscheidende Bedeutung beigemessen.
b) Geschwisterbindung
Zu prüfen ist bei der Entscheidung die Bindung des Kindes an Mutter und Vater aber auch an eventuell im Haushalt des einen oder des anderen Elternteils lebende Geschwister. Die Geschwisterbindung ist häufig ein entscheidendes Kriterium. Verstehen sich die Kinder untereinander gut, so wird regelmäßig im Rahmen einer Sorgerechtsentscheidung dafür gesorgt, dass die Kinder zusammenleben können. Eine Trennung der Kinder kommt regelmäßig nur dann in Betracht, wenn sich die Geschwister nicht verstehen.
c) Erziehungsfähigkeit/ Bindungstoleranz
Ein entscheidendes Kriterium ist die Erziehungsfähigkeit der Eltern. Ist ein Elternteil weniger erziehungsfähig als der andere, so wird regelmäßig dem, der hier größere Fähigkeiten aufweist, die elterliche Sorge zugesprochen. In der Praxis wird vielfach darauf abgestellt, ob der Elternteil bereit und in der Lage ist, den Umgang des Kindes mit dem anderen Elternteil zu ermöglichen und zu fördern. Sträubt sich zum Beispiel die Mutter dagegen, dass das in ihrem Haushalt lebende Kind regelmäßig Umgang zu dem Vater hat, so spricht dies gegen ihre Bindungstoleranz und ihre Erziehungsfähigkeit. Sprechen nicht gravierende Gründe dafür, ihr die elterliche Sorge zu belassen, so spricht einiges dafür, dass der Mutter
38 BGH vom 29. September 1999 - XII ZB 3/ 99 - FamRZ 1999, 1646, 1647 und vom 11. Mai 2005 - XII ZB 33/ 04 - FamRZ 2005, 1167; vgl. auch BVerfG FamRZ 2004, 354, 355)
39 BVerfG FamRZ 2004, 354, 355; BVerfG FamRZ 2004, 1015, 1016.
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zumindest bei einer dauerhaften Verweigerung des Umgangs die elterliche Sorge entzogen wird.
d) Grundsatz der Kontinuität
Schließlich kommt dem Grundsatz der Kontinuität eine erhebliche Bedeutung zu. Dies bedeutet, dass dem Kind nach Möglichkeit die bislang vertraute Umgebung auch nach der Trennung der Eltern einschließlich der Bezugspersonen, wie z.B. den Großeltern, Lehrer, Erzieher, erhalten bleiben soll.
6. Kann das Gericht die elterliche Sorge von sich aus entziehen?
Entscheidungen des Familiengerichts nach §§ 1671,1672 BGB setzen einen Antrag eines Elternteils voraus. Nur dann, wenn ein Elternteil das Gericht anruft, kommt es zu einem Verfahren. In besonders gelagerten Fällen, nämlich dann, wenn das Kindeswohl erheblich gefährdet ist, hat das Familiengericht nach § 1666 BGB die Möglichkeit, von Amts wegen, also ohne Antrag eines Elternteils, tätig zu werden.
§ 1666 BGB lautet:
Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls
(1) Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes oder sein Vermögen gefährdet und sind die Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwenden, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind.
(2) In der Regel ist anzunehmen, dass das Vermögen des Kindes gefährdet ist, wenn der Inhaber der Vermögenssorge seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind oder seine mit der Vermögenssorge verbundenen Pflichten verletzt oder Anordnungen des Gerichts, die sich auf die Vermögenssorge beziehen, nicht befolgt.
(3) Zu den gerichtlichen Maßnahmen nach Absatz 1 gehören insbesondere 1.Gebote, öffentliche Hilfen wie zum Beispiel Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe und der Gesundheitsfürsorge in Anspruch zu nehmen, 2.Gebote, für die Einhaltung der Schulpflicht zu sorgen, 3.Verbote, vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Familienwohnung oder eine andere Wohnung zu nutzen, sich in einem bestimmten Umkreis der Wohnung aufzuhalten oder zu bestimmende andere Orte aufzusuchen, an denen sich das Kind regelmäßig aufhält, 4.Verbote, Verbindung zum Kind aufzunehmen oder ein Zusammentreffen mit dem Kind herbeizuführen, 5.die Ersetzung von Erklärungen des Inhabers der elterlichen Sorge, 6.die teilweise oder vollständige Entziehung der elterlichen Sorge.
(4) In Angelegenheiten der Personensorge kann das Gericht auch Maßnahmen mit Wirkung gegen einen Dritten treffen.
Ein Eingriff in die elterliche Sorge durch das Gericht ist nur dann zulässig, wenn eine Kindeswohlgefährdung vorliegt. Diese ist anzunehmen, wenn das Verhalten der Eltern mit ziemlicher Sicherheit zu einer erheblichen Schädigung des geistigen, sittlichen oder
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körperlichen Wohls des Kindes führen wird. 40 Es muss eine Gefahr für das Kind vorliegen. Es ist nicht Aufgabe des Gerichts und damit des Staates, für das Kind die optimale Erziehungsmöglichkeit auszusuchen und gegen den Willen der Eltern durchzusetzen. Daher genügt eine unpraktische oder ungeschickte Verhaltensweise der Eltern nicht, um dem Gericht nach § 1666 BGB ein Einschreiten zu ermöglichen. Einschreiten kann das Gericht bei einer Vernachlässigung des Kindes, wenn also die Pflege und Erziehung des Kindes durch die Eltern nicht sichergestellt wird. Missbrauchen die Eltern ihre elterliche Sorge, so kommt ebenfalls ein Eingriff nach § 1666 BGB in Betracht. Auch dann, wenn die Eltern unverschuldet versagen, ihr Versagen aber zu einer konkreten Kindeswohlgefährdung führt, kommt ein Eingreifen des Gerichts nach § 1666 BGB in Betracht.
Liegen die Voraussetzungen für ein Einschreiten des Gerichts nach § 1666 BGB vor, so hat das Gericht ein Auswahlermessen hinsichtlich der Maßnahmen, die es anordnet. Das Gericht kann die Eltern ermahnen, es kann Gebote und Verbote aussprechen und letztlich auch den Eltern die elterliche Sorge ganz oder teilweise entziehen. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zu beachten. Für den Bereich der Personensorge ist dies im Gesetz in § 1666a BGB ausdrücklich geregelt.
§ 1666a [1] Grundsatz der Verhältnismäßigkeit; Vorrang öffentlicher Hilfen
(1) 1Maßnahmen, mit denen eine Trennung des Kindes von der elterlichen Familie verbunden ist, sind nur zulässig, wenn der Gefahr nicht auf andere Weise, auch nicht durch öffentliche Hilfen, begegnet werden kann. 2Dies gilt auch, wenn einem Elternteil vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit die Nutzung der Familienwohnung untersagt werden soll. 3Wird einem Elternteil oder einem Dritten die Nutzung der vom Kind mit bewohnten oder einer anderen Wohnung untersagt, ist bei der Bemessung der Dauer der Maßnahme auch zu berücksichtigen, ob diesem das Eigentum, das Erbbaurecht oder der Nießbrauch an dem Grundstück zusteht, auf dem sich die Wohnung befindet; Entsprechendes gilt für das Wohnungseigentum, das Dauerwohnrecht, das dingliche Wohnrecht oder wenn der Elternteil oder Dritte Mieter der Wohnung ist.
(2) Die gesamte Personensorge darf nur entzogen werden, wenn andere Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder wenn anzunehmen ist, dass sie zur Abwendung der Gefahr nicht ausreichen.
Weigern sich Eltern, ihre Kinder in einer öffentlichen Grundschule oder einer anerkannten Ersatzschule beschulen zu lassen um ihnen selbst "Hausunterricht" zu erteilen, so ist darin ein Missbrauch der elterlichen Sorge zu sehen, der ein Einschreiten nach §§ 1666, 1666 a BGB rechtfertigt. In dem vom BGH entschiedenen Fall ist den Eltern das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das Recht zur Regelung der Schulangelegenheiten für ihre Kinder entzogen worden. 41
Soll ein minderjähriges Mädchen, das aus Gambia stammt und die dortige Staatsangehörigkeit hat, von seiner Mutter zur Beschneidung nach Gambia gebracht
40 Bamberger/Roth/Veit, BGB, § 1666 Rn 4.
41 BGH, Beschluss vom 17. 10. 2007 - XII ZB 42/ 07, FPR 2008, 115ff.
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werden, so rechtfertigt dies nach § 1666 BGB die Entziehung des Aufenthaltsbestimmungsrechts. 42
Wird das Vermögen des Kindes gefährdet, sind die Eltern also nicht in der Lage, die Vermögenssorge für ihr minderjähriges Kind ordnungsgemäß wahrzunehmen, so kommen gerichtliche Maßnahme nach § 1667 BGB in Betracht. § 1667 BGB lautet
(1) 1Das Familiengericht kann anordnen, dass die Eltern ein Verzeichnis des Vermögens des Kindes einreichen und über die Verwaltung Rechnung legen. 2Die Eltern haben das Verzeichnis mit der Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit zu versehen. 3Ist das eingereichte Verzeichnis ungenügend, so kann das Familiengericht anordnen, dass das Verzeichnis durch eine zuständige Behörde oder durch einen zuständigen Beamten oder Notar aufgenommen wird.
(2) 1Das Familiengericht kann anordnen, dass das Geld des Kindes in bestimmter Weise anzulegen und dass zur Abhebung seine Genehmigung erforderlich ist. 2Gehören Wertpapiere, Kostbarkeiten oder Schuldbuchforderung gegen den Bund oder ein Land zum Vermögen des Kindes, so kann das Familiengericht dem Elternteil, der das Kind vertritt, die gleichen Verpflichtungen auferlegen, die nach §§ 1814 bis 1816, 1818 einem Vormund obliegen; die §§ 1819, 1820 sind entsprechend anzuwenden.
(3) 1Das Familiengericht kann dem Elternteil, der das Vermögen des Kindes gefährdet, Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen auferlegen. 2Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Familiengericht nach seinem Ermessen. 3Bei der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit wird die Mitwirkung des Kindes durch die Anordnung des Familiengerichts ersetzt. 4Die Sicherheitsleistung darf nur dadurch erzwungen werden, dass die Vermögenssorge gemäß § 1666 Abs. 1 ganz oder teilweise entzogen wird.
(4) Die Kosten der angeordneten Maßnahmen trägt der Elternteil, der sie veranlasst hat.
Das Gesetz benennt ausdrücklich in § 1667 Abs. 1 bis 3 BGB einzelne Maßnahmen, die zur Abwendung einer Vermögensgefährdung ergriffen werden können. Die Maßnahmen sind aber nicht abschließend. Es können auch andere Maßnahmen und auch die im Gesetz genannten Maßnahmen in Kombination miteinander angeordnet werden. 43 Ein Stufenverhältnis besteht nicht, es muss also nicht zunächst eine Maßnahme nach § 1667 Abs. 1 BGB angeordnet werden, bevor Maßnahmen nach Abs. 2 oder Abs. 3 BGB getroffen werden können.
Nach § 1667 Abs 1 BGB kann das Familiengericht die Eltern zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses über das Kindesvermögen beauflagen. Welche Angaben in dem Vermögensverzeichnis zu machen sind, ergibt sich aus § 1640 BGB. Das Familiengericht kann von den Eltern auch eine Rechnungslegung in bestimmten Abständen verlangen. Die Anordnung kann gegenüber beiden Eltern ergehen, selbst dann, wenn nur ein Elternteil durch sein Verhalten das Einschreiten des Familiengerichts verursacht hat. 44
42 BGH NJW 2005, 672.
43 Palandt-Diederichsen § 1667 Rn 3.
44 MünchKomm-Olzen § 1667 Rn 12.
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Das Familiengericht kann anordnen, dass das Geld des Kindes in bestimmter Weise anzulegen ist und dass zur Abhebung eine familiengerichtliche Genehmigung erforderlich ist (§ 1667Abs 2 S 1BGB). So kann der Vermögenssorgeberechtigte angewiesen werden, das Geld des Kindes auf ein Sparkonto einzuzahlen und das Sparbuch mit einem Sperrvermerk zu sichern. 45 Nach einer Auffassung können nur die Eltern zu einem entsprechenden Handeln angewiesen werden. Äußerstenfalls kann ihnen die Vermögenssorge auch ganz entzogen werden. Teilweise wird jedoch angenommen, das Gericht habe nach § 1667 Abs. 2 S. 1 BGB die Möglichkeit, direkt gegenüber der Bank den Sperrvermerk anzuordnen. 46 Der Sperrvermerk hat zur Folge, dass Verfügungen über das Kapital und ggfls. auch die Abhebung von Zinsen der familiengerichtlichen Genehmigung bedürfen. 47 Gehören zum Vermögen des Kindes Wertpapiere, Kostbarkeiten und Buchforderungen gegen den Bund oder ein Land, so kann das Familiengericht nach § 1667Abs 2 S 2 BGB dem Elternteil, der das Kind vertritt, die gleichen Verpflichtungen auferlegen, die nach §§ 1814 bis 1816, 1818 einem Vormund obliegen.
Dem Elternteil, der das Vermögen des Kindes gefährdet, kann nach § 1667 Abs 3 S 1 BGB auch eine Sicherheitsleistung für das seiner Verwaltung unterliegende Vermögen auferlegt werden. Diese Maßnahme setzt nicht voraus, dass Maßnahmen nach Abs 1 und 2 bereits angeordnet waren, kann jedoch mit solchen Anordnungen verbunden werden Die Art und den Umfang der Sicherheitsleistung bestimmt das Gericht nach § 1667 Abs. 3 S. 2 BGB nach seinem Ermessen. Anhaltspunkte dafür, welche Sicherheitsleistung möglich ist, geben §§ 232 ff BGB. Bei der Sicherheitsleistung bedürfte es eigentlich zur Vertretung des Kindes der Bestellung eines Pflegers (§§ 1629 Abs 2 S 1, 1795 Abs 2 BGB). Da damit aber eine Verzögerung des Verfahrens verbunden wäre, sieht § 1667 Abs. 3 S 3 BGB vor, dass bei der Bestellung und Aufhebung der Sicherheit die Mitwirkung des Kindes durch die Anordnung des Familiengerichts ersetzt wird. Das Familiengericht kann also in Vertretung des Kindes etwa den Antrag auf Eintragung der vom Vater oder der Mutter bewilligten Hypothek nach § 13 GBO stellen. Wird die Sicherheitsleistung entgegen der Anordnung des Familiengerichts nicht erbracht, so kann die Anordnung des Familiengerichts nicht durch die Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes durchgesetzt werden. Vielmehr regelt das Gesetz ausdrücklich, dass in einem solchen Fall die Vermögenssorge ganz oder teilweise nach § 1666 Abs. 1 BGB zu entziehen ist (§ 1667 Abs 3 S. 4 BGB).
Dr. T. Große-Boymann
15.05.2011
45 MünchKomm/Oelze § 1667 Rn 16.
46 So Staudinger/Coester § 1667 Rmn 11.
47 BayObLG FamRZ 1989, 1215, 1216; FamRZ 1979, 71, 72.
Christoph Schlingensieb - 25. Mär, 23:00